SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

10SEP2023
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Die französische Philosophin Simone Weil hat einmal gesagt: „Die kostbarsten Güter soll man nicht suchen, sondern erwarten.“[1]

Nicht suchen, sondern erwarten – für mich ist das wie eine Überschrift über unser heutiges Lied zum Sonntag. Es heißt „Und ein neuer Morgen“, und Gregor Linßen hat es 1989 geschrieben. Darin geht es auch um kostbare Dinge: um Hoffnung, um Güte und um Freude. Kostbare Güter, die ich weder von jetzt auf gleich herstellen noch erzwingen oder verdienen kann. Hoffnung, Güte und Freude kann ich nur ersehnen und erwarten. Und dann mich daran erfreuen, wenn sie wie ein keimender Same wachsen, Knospen treiben und aufblühen:

 

Herr, du bist die Hoffnung, wo Leben verdorrt,
auf steinigem Grund wachse in mir,
sei keimender Same, sei sicherer Ort,
treib Knospen und blühe in mir.

Und ein neuer Morgen bricht auf dieser Erde an
in einem neuen Tag, blühe in mir.
Halte mich geborgen fest in deiner starken Hand und segne mich,
segne mich und deine Erde.“

Musik 1

„Die kostbarsten Güter soll man nicht suchen, sondern erwarten.“, hat Simone Weil gesagt. Und das „erwarten“ nennt sie im franz. Original „attention“, also aufmerksam und achtsam werden für das, was ist. Nicht alles mit eigenen Plänen oder Vorstellungen zuschütten, sondern bereit sein, sich beschenken zu lassen.

Mir fällt das nicht immer leicht – schon gar nicht am Morgen. Manchmal hält mich das nächtliche Gedankenkarussell noch eine ganze Weile gefangen. Oder ich bin direkt nach dem Aufwachen bei dem, was heute alles erledigt werden muss. Mache mir Sorgen, wie ich das schaffen soll. Das kann ganz schön erdrückend sein.

In solchen Momenten hilft es mir, mich in die Zuversicht anderer einzuklinken. Zum Beispiel in die von Gregor Linßen, der zu seinen Liedern selbst einmal geschrieben hat: „Ich möchte mit ihnen (urspr.: „diesen Liedern“) die Freude, die ich an Gott habe und das Vertrauen, das ich in ihn setze, freilassen.“[2]

In der zweiten Strophe heißt es:

 

Herr, du bist die Güte, wo Liebe zerbricht,
in kalter Zeit, atme in mir,
sei zündender Funke, sei wärmendes Licht,
sei Flamme und brenne in mir.

Musik 2 (unterlegt)

Der Komponist und Textdichter Gregor Linßen traut Gott zu, dass er da ist, wenn Liebe zerbrochen ist. Dass Gott das Innerste erwärmen kann, wenn Kälte oder Einsamkeit sich breit gemacht haben.

Und inspiriert von Gregor Linßen bete ich heute Morgen weiter:
„Gott, du bist die Güte gegen die Härte dieser Zeit, gegen alle Herzlosigkeit und Gleichgültigkeit. Sei in Dunkelheit und Kälte in mir und lass Dein Licht in mir nicht ausgehen. Halte mich in deiner starken Hand geborgen. Segne mich und deine Erde.“

Ich merke: Während ich bete, wächst langsam in mir die Zuversicht. Heute Morgen die Zuversicht, dass Gott auch an diesem Tag da sein könnte. Und dass ich seine Nähe – wie den neuen Morgen – zwar nicht erzwingen, aber ersehnen und erwarten kann.

 

Herr, du bist die Freude, wo Lachen erstickt,
in dunkler Welt, lebe in mir,
sei froher Gedanke, sei tröstender Blick,
sei Stimme und singe in mir.

Und ein neuer Morgen bricht auf dieser Erde an
in einem neuen Tag, singe in mir.
Halte mich geborgen fest in deiner starken Hand und segne mich,
segne mich und deine Erde.“

 

Musik 3

 

[1] Vgl. dazu: https://www.feinschwarz.net/simone_weil_warten/

[2] Aus dem Vorwort zur Partitur der Messe „Lied vom Licht“ (Gregor Linßen)

 

Komponistin

T + M: Gregor Linßen

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38207
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