SWR2 Wort zum Tag

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29JUL2023
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Vor ein paar Wochen hat in Stockholm ein Iraker vor der größten Moschee der Stadt einen Koran verbrannt. Ausgerechnet am islamischen Opferfest. (ard – 28.6.2023) Als Reaktion darauf sollte es kurz darauf zu einer Tora- und Bibelverbrennung vor der israelischen Botschaft in Stockholm kommen (ard - 15.7.2023). Gewalttätige Nachwirkungen halten an. Keine Frage: Solche Bücherverbrennungen sind politisch motiviert. Sie sollen Aufmerksamkeit erregen und Hass schüren. Ich höre da auch immer Heinrich Heines Wort mit: „Wer Bücher verbrennt, verbrennt Menschen.“ In Deutschland ist es vor 80 Jahren so weit gekommen.

Ich frage mich: Was hat diesen Mann aus dem Irak dazu gebracht? Was bringt andere dazu, Heilige Schriften zu verbrennen? Hass auf die eigene Religion? Hass auf die Religion der Anderen? Hass gegen Religion in jeder Form? Welche Erfahrungen stehen dahinter?

Schwer zu sagen. Mir scheint, als handele es sich bei diesen Tätern um „Religionsverletzte“. Ist vielleicht eine tiefe Kränkung oder Verletzung der Ursprung für solche Hassausbrüche? Zerstören Religionsverletzte das, womit sie schlechte Erfahrungen gemacht haben, was sie bedroht hat. Etliche sitzen dabei irrsinnigen Vorurteilen und Zerrbildern auf. Gewissermaßen eingebildete Kranke.

Auch ich erlebe oft an Religionsverletzten, wie sie ein heiliger Zorn befällt, der sie blind macht für das Schöne und Lebensdienliche: für die Barmherzigkeit, die Liebe und die Gerechtigkeit, die im Zentrum der drei großen Religionen stehen, die sich auf Abraham berufen.  

Was könnte helfen, solche Gewaltausbrüche wie Bücherverbrennungen zu verhindern? Das eine sind Gerichte und Polizei, die dafür sorgen müssen, dass solche Untaten unterbleiben.

Ich denke, es braucht mehr: zuallererst ein Klima der gegenseitigen Toleranz. Es hat mich tief berührt, als ich unlängst im Franziskanerkloster Fojnica – unweit von Sarajewo – ein über 500 Jahre altes Dokument der Toleranz sehen konnte. Aus dem Jahr 1464! Die christlichen Franziskaner haben damals den muslimischen Sultan als ihren Herrscher anerkannt. Im Gegenzug wurde ihnen Religions- und Wirkungsfreiheit gewährt. Dieses Versprechen und dieser Respekt hatte Bestand – über Jahrhunderte.
Ich bin fest davon überzeugt: Nur so kann es ein Nebeneinander ohne gegenseitige Bedrohung und Gewalt geben. Das ist eine Voraussetzung, um die Schätze der Religion für das eigene Leben zu entdecken. Im Dialog. Dialog ist unverzichtbar, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie kostbar und lebensdienlich Religionen sein können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38103
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