SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

26JUL2023
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„Manchmal kann die Sonne so viel strahlen, wie sie will. Ich nehme sie gar nicht mehr wahr. Ich komme nicht mal mehr aus meiner Wohnung raus.“ - so eine Bekannte von mir.

Sie leidet an einer schweren Depression. Sie hat selbst lange gebraucht, um sich dessen bewusst zu werden. Und wir, Freundinnen und Kollegen im Umfeld, wir haben das gar nicht so richtig mitbekommen, was mit ihr los ist. Wann sie angefangen hat, sich mehr und mehr zurückzuziehen. „Na, komm!“ - haben wir nicht nur einmal gesagt. „Komm doch mit uns mit“ – haben wir sie gedrängt. Im Nachhinein tut mir das leid, ich hatte damals noch nicht verstanden, wie es um sie stand.

Eine Depression ist eine schwere Erkrankung, die nicht wie ein Schnupfen nach ein paar Tagen wieder abzieht. Sie muss behandelt werden. Eine Depression kann man nicht mit aufbauenden Worten schönreden, man muss sie miteinander aushalten und tragen. Das braucht viel Geduld und Zeit. Da gibt es Auf und Abs – für die Betroffenen und das Umfeld, für die diese Erkrankung auch nicht leicht ist.

Sogar in der Bibel ist das schon beschrieben. König Saul soll depressiv gewesen sein. Sein Verhalten war für seine Umgebung schwer einzuordnen. Darum hat man irgendwann einen Hofmusiker für ihn gesucht. Ein Junge hat ihm auf der Harfe gespielt, damit es ihm besser ging. Musik als Therapie. Kein schlechter Ansatz - Heute weiß man noch viel mehr über diese Erkrankung. Es gibt Profis dafür, die sich mit Depressionen auskennen und sehr oft auch helfen können. Mediziner und Therapeuten.

Doch der erste Schritt dorthin ist alles andere als leicht. Eben die Erkenntnis „So kann es nicht weitergehen.“ Und dann eben doch das Haus zu verlassen, mit anderen mitgehen und Hilfe suchen. Manchmal braucht es gerade für diesen ersten Schritt einen guten Freund, der vorsichtig auf die Betroffene zugeht, von seiner Sorge um sie spricht. Für meine betroffene Bekannte war dieser erste Schritt unglaublich schwer, lange hat sie Hilfe abgewehrt, fröhlich gelacht und uns ein „Alles ist in Ordnung“ zugerufen. Im Rückblick sagt sie heute, hätte sie viel früher Hilfe in Anspruch nehmen sollen. Sie hatte sich selbst noch nicht verstanden.

Im Rückblick denke ich heute, hätte ich doch bloß ein wenig früher verstanden, was los ist. Vielleicht hätten wir gemeinsam erkennen können, was in solch einer Situation dran ist.

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