SWR4 Abendgedanken

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18JUL2023
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Zum Thema: In der Kirche bleiben oder gehen, habe ich diesen Satz gelesen: „Es geht gar nicht mehr um die Frage `Gehen oder Bleiben`, sondern ob es moralisch überhaupt vertretbar ist, zu bleiben.“[1]

Es geht also darum, ob ich überhaupt noch in der Kirche sein darf. Ob das noch „in Ordnung“ ist.

Mein Freund Jonas hat mir seinen Austritt so in der Art auch erklärt: „Für mich ist die Kirche eine Missbrauchsinstitution, die die Verbrecher schützt. Die Taten versucht man zu vertuschen. Sowas will ich mit meinen Kirchensteuern nicht finanzieren. Sonst würde ich mich ja quasi zum Komplizen machen!“ Für Jonas ist die ganze Kirche und alle Menschen in ihr, nichts anderes mehr. Er findet es deswegen moralisch geboten und gut, aus der Kirche auszutreten.

Ich war getroffen, als ich das gehört habe. Denn damit wirft Jonas mir ja auch indirekt vor, dass es falsch ist, wenn ich in der Kirche bleibe.

Mein Freund, der weiß, dass ich nicht nur in der Kirche bin, sondern sogar für sie arbeite. Wie oft habe ich ihm erzählt, wie gerne ich meine Arbeit mache. Mit Familien, die einen Menschen verloren haben und die ich bis zur Beerdigung und darüber hinaus begleite. Und ich denke an die Schülerinnen und Schülern, die im Religionsunterricht kritische Fragen stellen und auf der Suche nach Antworten sind. Und jeden Tag erlebe ich in den Kirchengemeinden engagierte Frauen und Männer, die sich dafür einsetzen, dass dort für Viele eine sichere Heimat entsteht, in der man Gott erfahren kann. 

Ich verstehe sehr gut, warum man über den Missbrauch in der Kirche empört ist. Ich bin es auch. Und ich verstehe sehr gut, warum sich deswegen Menschen von der Kirche abwenden. Ich tue es nicht.

Ich bleibe in der Kirche, eben weil ich auch empört bin. Ich bleibe, damit nicht die Täter, Vertuscher und Schweiger, sondern die Opfer das letzte Wort behalten. Ich möchte zusammen mit vielen anderen für eine bessere Kirche kämpfen. Und ich bin überzeugt, dass ich mit dieser Kirche auch für eine bessere Welt kämpfen kann.

Das muss nicht für jeden der richtige Weg sein. Aber ich habe Hoffnung für diese Kirche. Und ich finde: Auch wer die Hoffnung verloren hat, darf sie anderen nicht absprechen. Denn es gibt so viele Menschen, die sich für eine bessere Kirche und eine bessere Welt einsetzen. Weil sie hoffen.

 

[1]https://www.katholisch.de/artikel/45335-jesuit-es-ist-nicht-mein-job-leute-in-der-kirche-zu-halten (letzter Aufruf: 10.06.23).

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38052
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