SWR4 Abendgedanken

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17JUL2023
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Jeder Mensch hat 13 Geheimnisse. Im Schnitt. Das haben Forscher in einer Studie herausgefunden.[1] Die Psychologen haben erforscht, was Menschen lieber für sich behalten und inwiefern sie das belastet. Denn obwohl ein Geheimnis ja per se nichts Negatives sein muss, in der Studie geht es in erster Linie um Belastendes. Die Psychologen nennen das „schlechte“ Geheimnisse.

Ich glaube, dass Problem bei schlechten Geheimnissen ist: Sie machen besonders einsam.

So habe ich das jedenfalls bei mir selbst erlebt. Denn eine Zeit lang habe ich viel für mich behalten. Es war jede Menge Ballast, den ich mit mir rumgeschleppt habe. Klar, wenn ich erzählt hätte, was mich belastet, zum Beispiel eben demjenigen, gegenüber dem ich mich schuldig gefühlt habe, dann hätte der bestimmt gesagt: „Ach was, halb so tragisch! Schon vergeben und vergessen.“ Aber weil ich es niemanden erzählt habe, konnte mir auch niemand vergeben. Und so habe ich damals versucht meine schlechten Geheimnisse einfach zu verdrängen und zu vergessen.

Irgendwann habe ich mich aber getraut. Ich habe alles erzählt. Und zwar als ich zum ersten Mal als Erwachsene gebeichtet habe. Ein Freund hat mich dazu ermutigt, er hat mir erzählt: „Das Besondere an der Beichte ist: Du kannst Vergebung tatsächlich erleben und zwar von Gott her. Du kannst einem Geistlichen erzählen, was dich belastet und es ehrlich bereuen. Außerdem ist dabei wichtig, dass man sich wirklich vornimmt, es in Zukunft besser zu machen.“ 

Als ich das gehört habe, dachte ich mir: „Ok, ich kann es wenigstens mal versuchen.“ Trotzdem hatte ich ziemlichen Bammel. Aber dann habe ich angefangen, zu erzählen.

Der Priester hat einfach nur zugehört. Für mich war das so, als ob Gott mir zuhört. Ich konnte spüren, ich erzähle das gerade nicht nur diesem Menschen, sondern auch Gott.

Als ich fertig war, habe ich trotzdem befürchtet, dass jetzt eine Art Quittung kommt. Stattdessen hat der Priester ganz freundlich gesagt, dass Gott sich bestimmt sehr freut, dass ich heute einen neuen Weg zu ihm und zu mir selbst gefunden habe. Und dann hat er ganz schlicht gesagt: Ich spreche dich los von all deinen Sünden.

Das wars.

Seit dieser Beichte weiß ich: Erst wenn ich aufhöre, meine schlechten Geheimnisse für mich zu behalten und erst, wenn ich anfange, sie Gott zu erzählen – erst dann verändert sich etwas. Weil Gott jemand ist, der mir immer vergibt. Dann fange ich an, mich so zu sehen, wie er mich sieht – und das ist so viel mehr als einfach nur „vergeben und vergessen“.

 

[1] Vgl. https://www.spektrum.de/news/psychologie-warum-wir-geheimnisse-haben/1568206 (letzter Aufruf 15.06.23).

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38051
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