SWR2 Wort zum Tag

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06JUL2023
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Die Yagan sind ein Volk von Wassernomaden auf Feuerland. Dort, in ihrem angestammten Gebiet haben sie Jahrhunderte lang gelebt, bis weiße Siedler auf sie gestoßen sind. Heute sind sie nahezu ausgestorben.

In der Sprache der Yagan gibt es ein Wort, das es als das „prägnanteste Wort“ sogar ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft hat. Ich kann es nicht aussprechen, nur ablesen. Es lautet in etwa so: Mamihlapinatapai.

Ins Deutsche übersetzt, drückt es in etwa Folgendes aus: „Das Austauschen eines Blickes zwischen zwei Personen, von denen jeder wünschte, der andere würde etwas initiieren, was beide begehren, aber keiner bereit ist, zu tun.“

Ich finde das wundervoll. Es beschreibt eine Situation, die vermutlich jeder kennt. Wenn etwas zwischen zwei Menschen da ist, eine Erwartung, ein Wunsch oder eine Sehnsucht. Aber jedem fehlt der Mut es auszudrücken. Diese Stimmung ist sehr komplex und lässt sich in unserer Sprache kaum greifen. Die Yagan haben dafür nur ein Wort. Vielleicht, weil sich ihr Blick auf die Welt und das Leben mehr auf solche Dinge beziehen. Weil ihre Prioritäten so gelagert sind, dass ihre Sprache dieses „ Austauschen eines Blickes zwischen zwei Personen, von denen jeder wünschte, der andere würde etwas initiieren, was beide begehren, aber keiner bereit ist, zu tun“ leicht ausdrücken kann. Wahrscheinlich würden Sie sich dafür mit einem Wort wie „Bußgeldbescheid“, eher schwer tun

Aber, wie schon gesagt, sie sind nahezu ausgestorben. Mit Ihnen ihre Kultur, ihre Lebensweise, ihre Sprache. Die Art und Weise wie sie auf das Leben geschaut und es ausgedrückt haben, gibt es fast nicht mehr.

Dadurch ist die Welt ärmer geworden.

Wie sich die Entdecker und Eroberer der Erde dort aufgeführt haben, ist heute bekannt.

Einer ihrer Beweggründe war es, das „Wort Gottes“, das Evangelium in alle Welt zu tragen. Darin ist viel von Heil, Erlösung und Frieden die Rede. Aber was sie getan haben, hat damit wenig zu tun gehabt. Auch was da im Namen des Christentums geschehen ist, lässt sich in unserer Sprache kaum ausdrücken. Vielleicht hätten die Yagan ein Wort dafür zur Verfügung gehabt. Das müsste in etwa Folgendes bedeuten: „Das Gegenteil von dem tun, was man behauptet zu tun und danach darauf beharren, das getan zu haben, was man behauptet hatte, tun zu wollen“. Dieses Wort, wie auch immer es klingen könnte, würde einen großen Bereich unserer Geschichte gut umschreiben. Unsere Sprache liefert dagegen viele Begriffe, die darauf antworten könnten: „Einsicht“, zum Beispiel, oder „Wiedergutmachung“. Und ganz bestimmt dieses: „Aus den Fehlern lernen“.

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