SWR Kultur Wort zum Tag

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28JUN2023
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„Willst du mitkommen?“, fragt mich eine Freundin, die zu einem Vortragsabend geht. Ohne nachzulesen, worum es geht, sage ich zu. Meistens hat sie einen guten Riecher. Auf dem Weg in den Saal begegnet mir eine amerikanische Touristin. Kurz überlege ich, zu fragen, ob ich ihr helfen kann; dann lasse ich es bleiben.

Als es losgeht, tritt die vermeintliche Touristin ans Rednerpult. Sie ist die Referentin des Abends. Und der Titel ihres Vortrags heißt: „Mist, die versteht mich ja! Aus dem Leben einer Schwarzen Deutschen“. Ich fühle mich ertappt und begreife an diesem Abend zum ersten Mal, wie subtil Rassismus funktioniert.

Florence Brokowski-Shekete ist Lehrerin und Schulamtsdirektorin in Schwetzingen – und sie ist Schwarz. In ihrem Vortrag erzählt sie aus ihrer Kindheit in Buxtehude, von ihren nigerianischen Wurzeln und wie es ist, mit ihrer Hautfarbe in Deutschland erfolgreich zu arbeiten. Sie kann über sich selber lachen – oft bricht ihr Humor aber auch die schmerzhaften Erfahrungen, von denen sie erzählt.

Freundlich erklärt sie, wieso es so schwierig ist, wenn jemand sie fragt, woher sie kommt. Oft steht dahinter nämlich eine ganz andere Frage: „Wieso sprichst du muttersprachlich Deutsch, wenn Du doch schwarz bist“? Sie ist Deutsche. Sie ist hier großgeworden und ist hier zuhause. Wenn die Leute nicht akzeptieren, dass sie aus Buxtehude kommt, steht damit jedes Mal auch infrage, ob sie denn nun wirklich dazugehört. Anders fühlt es sich für sie an, wenn jemand sie nach ihren Wurzeln fragt – dann erzählt sie gerne, auch von Nigeria.

Ich habe an dem Abend viel gelernt – vor allem über mich selbst: über die Prägungen, die ich mitbringe. Und ich habe zum ersten Mal nicht nur im Kopf, sondern vor allem mit dem Herzen verstanden, warum dieses oder jenes rassistisch ist. Es geht um unbewusste Haltungen, die anderen weh tun und schaden. Das tatsächlich einmal zu fühlen, das hat für mich den Unterschied gemacht.

Jesus ist für mich ein gutes Beispiel von jemandem, der offen auf Menschen zugegangen ist und so wirklich etwas verändert hat: Als er den Juden ausgerechnet einen Samaritaner als Beispiel vor Augen stellt. Als er zu Zachäus hingeht, mit dem sonst nie jemand gesprochen hat. In meinen Augen ist es das einzige Mittel, das in all den gesellschaftspolitischen Unsicherheiten, in denen wir gerade stecken, wirklich hilft: Miteinander reden – respektvoll und auf Grenzen bedacht, aber auch offen und neugierig. Wie fühlt sich das für dich an, wenn ich dies oder jenes sage? Die Frage will ich mir noch mehr zu Herzen nehmen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37903
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