Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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21JUN2023
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Tacet, es schweigt, steht oft in Musiknoten, wenn ein Instrument eine längere Pause hat. Vielleicht hat John Cage, der amerikanische Komponist, vor siebzig Jahren daran gedacht, als er sein Musikstück Vier-Dreiunddreißig komponiert hat. Der Titel verrät die Aufführungsdauer, vier Minuten und dreiunddreißig Sekunden. Der Titel verrät aber nichts über die Besonderheit des Stücks. Es besteht nämlich nur aus Schweigen. Es gibt Aufnahmen des Stücks, auf denen fast nichts zu hören ist – außer dem Umblättern der Noten oder dem Atmen von Publikum und Künstlern.

Von Anfang an gab es Fragen an Cage: Besteht das Musikstück nur aus der Stille? Gehören die Nebengeräusche dazu? Was machen eigentlich die Musikerinnen und Musiker? Und vor allem: Was haben die Zuhörenden davon?

In der Bibel steht eine Geschichte, in der es auch Stille geht.  Sie erzählt vom Propheten Elia. Der steigt auf einen Berg, um dort Gott zu treffen. Dort oben auf dem Berg geht es lautstark zu. Elia erlebt einen Tornado, der Felsbrocken durch die Luft schleudert, ein schreckliches Erdbeben, ein verheerendes Feuer. Alles lautstarke, fürchterliche Ereignisse. Alles Dinge, die einem in den Ohren hallen. Aber dann auf einmal – ein Laut der Stille, wie die Bibel sagt. In dem Moment, in dem nichts zu hören ist, horcht der Prophet Elia auf. Jetzt wird es ernst.

Wie lange es auf dem Berg nur den Laut der Stille gab, ist nicht überliefert. Vier Minuten dreiunddreißig Sekunden Stille jedenfalls können ganz schön lang sein. Aber damit übe ich Zuhören.

Es ist wichtig, auf die Stille zu hören. Den ganzen Tag wird akustisch um unsere Aufmerksamkeit gebuhlt. Wer seine Stimme hebt, wer lauter spricht als andere, wird schneller gehört. Die Stille hilft mir, wieder hören zu lernen. Auf mich, auf andere und vielleicht auch auf Gott.

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