Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

02JUN2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ganz selbstverständlich zieht Kevin jeden Sonntag die blaue Jacke mit dem gelben Streifen und dem violetten Kreuz an. Kevin ist ehrenamtlicher Helfer bei der Heidelberger Bahnhofsmission und macht – wenn er nicht gerade am Bahnhof ist – eine Ausbildung zum Automechaniker.

Kennengelernt habe ich Kevin bei der Vorbereitung auf seine Firmung im letzten Jahr. Am Anfang hat er einen etwas verpeilten Eindruck auf mich gemacht. Ich dachte, er ist bei der Firmvorbereitung dabei, weil man es halt macht. Ich war mir sicher, nach der Firmung werde ich ihn nicht mehr sehen.

Wie man sich täuschen kann. Denn: ein Jahr später taucht Kevin bei einem Jugendgottesdienst auf und erzählt mir anschließend fast eine Stunde lang von der Bahnhofsmission. Die Bahnhofsmission hat er erst während seiner Firmvorbereitung kennengelernt. Und jetzt hilft er jeden Sonntag dort mit! Ich bin baff. Damit hatte ich nicht gerechnet.

Die Bahnhofsmission in Heidelberg wird getragen von der evangelischen und katholischen Kirche, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen, wo immer sie können. Sie sind zur Stelle, wenn andere in Not sind. Sie helfen Reisenden aus dem Zug und von einem Gleis zum anderen. Sie spenden Trost und haben ein offenes Ohr für Sorgen aller Art: wenn jemand einsam ist, verarmt, krank, süchtig oder wohnungslos.

Viele Menschen suchen Hilfe bei der Bahnhofsmission und in den vergangenen Monaten ist besonders die Zahl der Leute gestiegen, die mit psychischen Problemen kommen. Die Mitarbeitenden bei der Bahnhofsmission sind zwar keine ausgebildeten Psychologen und doch sind sie für viele die erste Anlaufstelle, wenn es darum geht, mit jemandem Sorgen und Ängste zu teilen.

Kevin hängt sich da richtig rein. Für ihn ist das selbstverständlich. Es gehört für ihn zum Christsein dazu, dort anzupacken, wo er gebraucht wird. Er erzählt, dass ein Mann immer wieder kommt. Der Mann hat keine Familie mehr und ist einsam. Geboren und aufgewachsen ist er in Polen. Wie Kevins Mutter. Also hat Kevin dem Mann an Heiligabend in einer kleinen Plastikbox ein typisch polnisches Weihnachtsessen mitgebracht. Was für ein Segen, dass die beiden sich begegnet sind.

Nach dem Gespräch mit Kevin bin ich tief beeindruckt. Ich bin dankbar für Menschen wie ihn, die sich in ihrer Freizeit für andere einsetzen. Und die dadurch andere spüren lassen, wie Gott für sie da ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37727
weiterlesen...