SWR3 Gedanken

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29APR2023
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Obwohl mein Opa langsam immer weniger wird, hab ich noch was von ihm gelernt. Er ist 91 Jahre alt und seit ein paar Wochen schläft er fast nur noch und kann nicht mehr alleine aufstehen. Auch geistig ist er nicht mehr so fit. Wenn ich ihn besuche, erkennt er mich. Vieles, was sonst um ihn herum geschieht, bekommt er aber nicht mehr richtig mit. Noch etwas hat sich verändert: Er redet so viel wie nie zuvor. Ich habe meinen Opa immer eher als zurückhaltend erlebt. Das viele Reden hat er anderen überlassen. Er war der Typ, der zuhört und ab und zu einen ironischen oder lustigen Kommentar einwirft.

Jetzt ist das anders. Ich glaube: Er spürt, dass er nicht mehr ewig Zeit hat. Und will sicher gehen, dass er uns – seiner Familie – alles gesagt hat. Alles, was ihm wichtig war im Leben, und was er sich auch für uns wünscht: Gute Ratschläge und Ermutigungen. Und vor allem, dass wir ihm das wichtigste sind. Immer wieder sagt er: „Das ist meine größte Bitte; dass ihr glücklich werdet.“ Ich merke, wie emotional er dabei wird. Und auch mich bewegen diese Momente. Er zeigt sich ganz offen und verletzlich. Und dabei entsteht eine besondere Nähe. Ich bin meinem Opa dankbar, dass er das zulässt. Diese Momente mit ihm sind kostbar; ein Schatz, den ich nicht verlieren kann, auch dann nicht, wenn mein Opa irgendwann nicht mehr da sein wird.

Das habe ich also von ihm gelernt: Wie mutig und wunderschön es ist, jemandem zu sagen, dass man ihn liebt. Frei heraus. Am besten jeden Tag.

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