SWR4 Sonntagsgedanken

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23APR2023
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Essen und Trinken hält Seele und Leib zusammen. Dieses Sprichwort sagt deutlich, Essen ist nicht nur Nahrungsaufnahme. Ich genieße es, wenn ich zu einem Essen eingeladen werde. Essen bestärkt die Gemeinschaft und ist darum in allen Kulturen ein vorzüglicher Ort, sich zu begegnen und gegenseitiges Wohlwollen auszudrücken. Kein Wunder, dass das Miteinander-Essen in der Bibel eine so große Rolle spielt. Jesus findet man immer wieder als Gast an einem Tisch und einmal wird er sogar selber zum Gastgeber, als er sich beim letzten Mahl von seinen Jüngern verabschiedet.

Diese biblischen Essen haben die Phantasie der Künstler herausgefordert und inspiriert, so auch den italienischen Barockmaler Caravaggio. Er malte einmal die abendliche Szene in der Herberge bei Emmaus, wo zwei Jünger Jesus erkannten, als er mit ihnen das Brot brach. Überaus üppig und detailreich zaubert er die köstlichsten Speisen und Getränke auf den Tisch. Von wegen einfaches Pilgermahl. Wir sehen eine schöne Tischdeck, die gläserne Weinkaraffe, Tongeschirr mit feinem Dekor, einen gebratenen Fasan und eine reich gefüllte Obstschale. Der Maler greift in die Vollen. Ich fühle mich beim Betrachten dieses Bildes an eine uralte Vision des Propheten Jesaia erinnert, wo es heißt:

„Der Herr der Heere wird auf diesem Berg für alle Völker ein Festmahl geben, ein Gelage mit den besten und feinsten Speisen, mit besten, erlesenen Weinen. Er zerreißt auf diesem Berg die Hülle, die alle Nationen verhüllt, und die Decke, die alle Völker bedeckt. Gott, der Herr, wischt die Tränen ab von jedem Gesicht“ (Jes 25,6-8).

Jesaia träumt von einem herrlichen Fest, zu dem alle Völker herbeiströmen. Von überall her: Niemand muss draußen bleiben. Der Tisch ist gedeckt und Gott wischt alle Tränen ab. Was für eine Freude, was für ein Glück. Wirklich himmlisch!

Ich würde gerne Caravaggio fragen, ob er bei seinem Emmaus Bild an diesen uralten Traum gedacht hatte, an das Festmahl, wo Gott und Mensch fröhlich und versöhnlich an einem Tisch zusammen sind. Ich weiß nicht, was er antworten würde, aber ich sehe in seinem Bild, dass dieser Traum schon Wirklichkeit wird. Wenn Jesus mit den Menschen am Tisch sitzt und mit ihnen das Brot bricht, dann blitzt das große Fest auf, zu dem alle geladen sind.

Wenn Jesus sich zum Essen einlädt oder selber der Gastgeber ist, geht es nie nur um Nahrungsaufnahme. Das gemeinsame Essen ist Ausdruck einer tiefen Verbundenheit und Freundschaft. Jesus macht damit deutlich, dass bei Gott keiner abgeschrieben ist. Es stört ihn nicht, wenn ausgerechnet fromme Kreise ihm vorwerfen, dass er mit Sündern und Ausgestoßenen am Tisch sitzt. Jesus schließt niemanden aus. Auch die nicht, die ihn verraten, verleugnen, verlassen werden. Und das sind nicht nur ein Petrus und ein Judas, sondern letztlich alle.

Mich berührt es sehr, dass auch Judas beim Abendmahl dabei sein darf und genauso wie die anderen hören kann, was Jesus als sein Vermächtnis hinterlässt, seinen Leib und sein Blut, also sich selbst. Seine Hingabe ist für alle. Und plötzlich befinde ich mich über alle Schranken hinweg in einem großen Kreis von Menschen, zu all denen Jesus sagt: „Nimm und iss“ Ich stelle mir vor, dass er dabei nicht fragt: „Katholisch?“ oder „Evangelisch?“ oder „Geschieden und wiederverheiratet?“ Ich denke mir, er schaut jede und jeden an und fragt: „Hast du Hunger?“

Viele können erzählen, wie sie sich bei der Eucharistie ausgegrenzt gefühlt haben oder ausdrücklich ausgeschlossen wurden. Wenn ich solche Geschichten höre, werde ich traurig. Weil sich die Kirchen offensichtlich von anderen Fragen leiten lassen und ihre theologischen Unterschiede höher bewerten als die Einladung Jesu.

Ich glaube daran, dass Christus der Einladende ist und wenn jemand dieser Einladung gewissenhaft folgen will, wer hat das Recht, sie oder ihn abzuweisen? Ich werde nicht vergessen, wie eines Tages ein Mann zur Kommunion nach vorne trat, von dem alle wussten, dass er aus der Kirche ausgetreten war. Er hätte also kein Recht gehabt, zur Kommunion zu gehen. Doch der Mann ist gekommen. Er trat mit ausgestreckter Hand vor mich hin. In seinen Augen hatte er Tränen.

Tränen, die mehr sagen als viele Worte. Sie lassen erahnen, wie viel Hunger, wie viel Sehnsucht in dem Mann lebt. Ich wünsche allen, die erklären, warum man diesem oder jenem nicht die Kommunion geben darf, dass sie selber einmal zu Tränen gerührt sind und erleben dürfen, was für ein großes Geschenk es ist, zum Fest des Glaubens eingeladen zu sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37515
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