SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

16MRZ2023
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Ich gehe gerne in eine Buchhandlung in unserer Nähe. Sie bietet nicht nur die aktuellen Bestseller an, sondern verspricht Ruhe und Muße und Bücher zu Achtsamkeit und Lebenssinn. Doch immer häufiger stelle ich fest, dass der größte Teil der Bücher Ratgeber sind, wie das Leben gelingen kann.

Eine kleine Auswahl der Buchtitel, die mir da entgegenkommen:

„Frag den Buddha“.

„Versäume nicht dein Leben!

„Entdecke den Jäger in Dir

Mich irritiert das.  Offensichtlich brauchen Menschen heute eine Anleitung für ihr Leben und zwar für die Dinge des Lebens, die ich lange für selbstverständlich gehalten habe: eine Anleitung fürs Aufräumen, eine für das innere Kind in mir und natürlich „50 Sätze, die das Leben einfacher machen.“

Wenn ich dann durch diese Bücher blättere, springt mir überall die Verheißung entgegen: so wirst Du noch erfolgreicher, so gelingt Dein Leben noch besser, so erreichst Du sicher Deine Ziele. Und wenn Du nicht weißt, was Du willst – auch dafür gibt es ein Buch.

Aber: vieles davon bleibt eine Anleitung, eine Technik, wie ich dieses oder jenes in meinem Leben verbessern kann. Eine Anleitung – wirklich befriedigend ist das für mich nicht.

Wenn ich dann in die kleine Abteilung gehe, die „Religion und Glaube“ heißt, finde ich etwas anderes. Dort gibt es selbstverständlich Bibeln aller Art, sprachlich angepasst für Kinder, für Jugendliche und für Liebhaber der Originalsprache. Und es gibt Bücher, in denen Menschen von ihrem Leben und von ihrem Glauben erzählen. Und sie erzählen von Gemeinschaft, gemeinsamen Erfahrungen und auch vom Glauben.

Ich finde mich eher in diesen Büchern wieder: ich darf so sein, wie ich bin: unperfekt, suchend, neugierig…Und ich muss mich auch nicht ständig selbst verbessern, sondern ich darf darauf vertrauen, dass ich Gottes geliebtes Kind bin.

Meine Methode, Lebenssinn zu finden und meine Gefühle anzunehmen ist eine sehr einfache: Einige Minuten am Abend und einige Minuten am Morgen bewusst da sein. Innehalten und mich anschauen lassen von Gott. Und Gott anschauen.

Manchmal mit geschlossenen Augen und ganz still. Manchmal, wie heute in der Freude, durch die Natur zu fahren und von einem leuchtenden Regenbogen begleitet zu werden.  Das macht mich

demütig. Es gibt mir Boden unter den Füßen; so wie es im Psalm heißt:

 Seh ich den Himmel, das Werk deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst. Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.  (Ps 8,4-6)

Und am Abend lege ich den Tag zurück in Gottes Hand, alles Gelungene und alles Nichtgelungene. So darf ich sein – ich muss nichts leisten.

Das lässt mich gut schlafen, besser als jede Ratgeberweisheit des 21. Jahrhunderts.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37284
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