Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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07MRZ2023
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Ein Studienfreund von mir hat lange in Zentralafrika gearbeitet. Er hat immer wieder erzählt, dass die Menschen dort eine ganze Menge schöner Sprichwörter haben. Viele der Redensarten drehen sich um die Natur und um Tiere, mit denen man zusammenlebt. Ein Sprichwort heißt: "Wer seinen Hund liebt, muss auch seine Flöhe lieben." 

Hunde mochte ich schon immer gern, wahrscheinlich konnte ich mir‘s deshalb sofort merken. Es ist ja auch ein markantes Bild. Bei uns würde man vielleicht nüchterner sagen: Alles hat zwei Seiten, alles hat Vor- und Nachteile. Das Bild vom Hund und den Flöhen sagt aber noch mehr: Es geht nicht nur darum, die ‚Flöhe‘ notgedrungen in Kauf zu nehmen, sondern: sie zu lieben. So wie den Hund, denn sie gehören zu ihm, sie sind quasi ein Teil von ihm. 

Was bei Hunden die Flöhe sind, das sind bei Menschen vielleicht Eigenschaften, die mir auf die Nerven gehen. Angewohnheiten, Unarten, Spleens, Macken. Die Socken auf dem Boden oder die offene Zahnpastatube steht da für viele Kleinigkeiten. Die sind einzeln vielleicht gar nicht schlimm, aber in der Summe können sie doch richtig nerven. Im Schwäbischen sagt man zu persönlichen Macken übrigens liebevoll ‚Mugge‘, Mücken, und da sind wir fast schon wieder bei den Flöhen. 

Wenn mir jemand ganz nahesteht, kann ich natürlich leichter über seine oder ihre Macken hinwegsehen. Aber es gibt ja auch Eigenschaften, die nicht so charmant übergangen werden können: Eifersucht, Geiz, Unehrlichkeit, alles, was das Zusammenleben belastet. Auch das kann zu einer Person gehören. Und da komme ich mit dem Lieben dann schon an meine Grenze. Natürlich muss ich nicht ertragen, was mich fertig macht oder mir auf Dauer schadet. Aber die Grenzen sind ja fließend. Und solange ich die liebenswerten Eigenschaften sehen und schätzen kann, kann ich auch mit den Macken leben. Meistens jedenfalls. 

Wer seinen Hund liebt, liebt auch seine Flöhe. Das ist für mich auch eine Aussage über Gott. Ja, richtig – über Gott. Genauer gesagt: über seine Liebe. Die sortiert auch nicht. Sondern gilt allem, allem Geschaffenen. Auch uns. Auch mir. Mitsamt allen meinen Macken. Und deshalb versuch ich‘s auch so zu machen. Menschen zu lieben. Hunde zu lieben. Und wenn‘s sein muss auch Flöhe zu lieben.

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