SWR4 Sonntagsgedanken

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26FEB2023
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Im Leben verändert sich ständig etwas

Noch vor einer Woche habe ich mit Locken-Perücke und Papp-Nase Fasching gefeiert. Mittlerweile ist die Perücke eingemottet; die Fastenzeit hat begonnen. Zu kaum einer anderen Zeit sind Veränderungen so greifbar wie in dieser Woche. Viele nehmen sich etwas vor, das sie verändern möchten: sie tauschen fettige Berliner gegen Gemüse, um abzuspecken, oder sie nehmen sich mehr Zeit – für sich, für andere oder für Gott. Wie das aber mit Vorsätzen so ist: oft gelingt es nicht, sie umzusetzen. Es lohnt sich daher, einmal genauer hinzuschauen, was es mit Veränderungen auf sich hat, was sie so schwer macht und was womöglich dabei hilft, sie anzugehen.

Veränderungen gibt es viele im Leben und sie sind ganz unterschiedlich. Manche stoße ich selbst an: eben, wenn ich zum Beispiel vorhabe, weniger Süß zu essen oder einmal die Woche Schwimmen zu gehen. Andere Dinge kommen plötzlich und von außen auf mich zu und ich muss mich darauf reagieren: wenn ich im Büro neue Aufgaben übernehmen und die Abteilung wechseln soll; oder wenn mir mein Kind eröffnet, dass es in eine andere Stadt zieht. Wieder andere Veränderungen sind unausweichlich: das Alter zum Beispiel, wenn ich nicht mehr so kann wie ich will und immer öfter Hilfe brauche.

Ob ich mich nun verändern will, soll oder muss: das geht nicht von heute auf morgen. Es ist ein Prozess und der braucht Zeit. Wer sich verändert, durchläuft Phasen – ähnlich wie beim Trauern. Veränderungen treffen mich in der Regel erst einmal hart; ich tue mich schwer mit ihnen oder lehne sie sogar ab: Um nicht auf Süßes verzichten zu müssen, rede ich mir womöglich ein, dass ich nicht wirklich zu dick bin. Ich wehre mich gegen neue Aufgaben, denn: andere sind dafür doch besser geeignet! Wenn mein Kind wegzieht, macht mich das unsicher und traurig: Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es sein wird. Und wenn ich Dinge nicht mehr tun kann, die früher kein Problem waren, dann muss ich mir das erst einmal eingestehen. Nach dieser ersten Phase der Veränderung kommen meist Gefühle hoch: ich bin enttäuscht, wütend oder mir kommen Tränen. Erst dann setzt die Vernunft ein und ich beginne damit, Dinge realistisch zu sehen. Im Idealfall schaffe ich es dann Schritt für Schritt, mich zu verändern oder mich auf Veränderungen einzulassen.

Solche Modelle erklären, was Veränderungen so schwer macht. Allerdings helfen sie mir nicht weiter, wenn ich mich selbst verändern will, soll oder muss. Dafür sind sie zu abstrakt. Ich brauche dann etwas Konkretes, einen Impuls, der mir hilft, den nächsten Schritt zu gehen. Und so einen habe ich in der Bibel entdeckt ...

Mit Veränderungen umgehen lernen

Heute ist der erste Fastensonntag. Viele nutzen die Zeit bis Ostern, um sich neu auszurichten und über Veränderungen nachzudenken. Das habe auch ich eben in meinen Gedanken zum Sonntag gemacht. Veränderungen sind oft schwer. Ich habe in der Bibel etwas gefunden, das es mir leichter macht, mit ihnen umzugehen.

Es ist die Geschichte von Abraham. Gott weist ihn an, sich zu verändern. Er sagt: „Zieh fort aus deinem Land, deiner Verwandtschaft und deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeige.“ Abraham soll dort Kinder haben, zu einem großen Volk werden und gesegnet sein. In der Bibel heißt es schlicht: „Da ging Abraham und mit ihm sein Neffe Lot.“
Die Bibel macht keine großen Worte. Sie reduziert die Erzählung auf drei wesentliche Punkte. Genau an denen kann ich mich aber entlangtasten und überlegen, was sie für Veränderungen in meinem Leben bedeuten:

Abraham soll sein Land, seine Verwandtschaft und sein Vaterhaus verlassen. Sich zu verändern heißt also, vertraute Strukturen und konkrete Personen zurückzulassen. Welche sind das bei mir? Was macht es mir im Einzelfall schwer, mich zu verändern oder eine Veränderung anzunehmen? Wenn ich im Büro neue Aufgaben übernehmen soll, muss ich vertraute Abläufe umstellen und nette Kollegen zurücklassen. Zieht mein Kind weg, bekomme ich weniger von ihm mit. Das klar zu benennen, hilft mir gegenzusteuern. Ich kann dann zum Beispiel versuchen, mir neue Arbeitsabläufe möglichst schnell anzueignen, um wieder Sicherheit zu bekommen, oder gezielt neue Kontakte zu Kollegen knüpfen. Und was die Familie betrifft: mein Kind und ich könnten gemeinsam nach Lösungen suchen, wie wir in Kontakt bleiben und weiterhin Freud und Leid teilen. Wer so genau hinschaut, stößt oft auch auf das, was bisher nicht so ganz rund lief. Und das verändert man doch gerne!

In der biblischen Erzählung wird Abraham Segen verheißen. Veränderungen bringen oft Gutes mit sich. Wenn ich mir klar mache, was das ist, fällt es mir leichter, etwas zu verändern: auf fettige Berliner zu verzichten, Gemüse statt Fleisch zu essen oder häufiger Rad zu fahren, ist doch nicht nur gesund, sondern auch gut für die Umwelt. Und wenn ich es schaffe, im Alter Hilfe anzunehmen, dann spare ich mir Kräfte, die ich für anderes einsetzen kann.

Schließlich ist Abraham nicht alleine unterwegs. In der Bibel steht: sein Neffe Lot begleitet ihn. Das heißt für mich: Wenn ich mich verändern will oder muss, kann ich schauen, wer mir dabei hilft. Oder überlegen, welcher Rahmen es mir leichter macht. Vielleicht gibt es im Büro ja einen Mentor. Ich finde jemand, der mit mir zusammen Sport macht. Und wenn ich ans Alter denke: da kann ich womöglich schon rechtzeitig vorplanen und überlegen, wie das für mich auch wirklich passen könnte.

Veränderungen gehören zum Leben. Kleine und ganz große wie bei Abraham. Und jede einzelne braucht ihre Zeit. Ich freue mich daher, dass es die Fastenzeit gibt: 40 Tage, um auf die Veränderungen in meinem Leben zu schauen und vor allem auf das, was mich im Alten hält und zum Neuen zieht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37136
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