SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

17FEB2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Gestern habe ich mal wieder gesündigt. Ich habe in ein paar Minuten eine ganze Tafel Schokolade gegessen. Nur ein kurzer Moment der Schwäche und plötzlich war die ganze Tafel weg. Zurück blieb nur ich – mit schokoladenverschmierten Fingern und einem schlechten Gewissen.

Solche kleinen Sünden hängen mir oft länger nach. Oder wenn ich das Gefühl habe, dass ich etwas falsch gemacht habe oder mir etwas misslungen ist. Wie zum Beispiel vor ein paar Wochen im Parkhaus vor der Einfahrtsschranke: Ich habe mit dem Auto zu weit weg vom Schalter angehalten und konnte das Ticktet nicht ziehen. Hinter mir hat sich schon eine Schlange gebildet. Nachdem ich mich erfolglos aus dem Fenster gestreckt habe, musste ich schließlich mit hochrotem Kopf aus dem Auto aussteigen, um an das Ticket zu kommen. Am liebsten wäre ich vor Scham im Boden versunken.

Aber warum überhaupt? Warum fühle ich mich schuldig oder schäme mich bei so alltäglichen Schwächen und Fehlern? So als hätte ich gesündigt. Dabei ist doch eigentlich überhaupt nichts passiert. Jedenfalls nichts, was mir leidtun müsste. Schließlich habe ich weder mir noch jemand anderen damit ein Leid angetan. Genau das wäre nämlich tatsächlich eine Sünde. Jedenfalls so eine, wie sie der christlicheGlaube definiert.

Das Wort „Sünde“ kann man aus dem altnordischen Verb „sund“ herleiten und es bedeutet übersetzt: trennen oder absondern. Im Christentum ist damit die Trennung von Gott gemeint. Etwas ist also dann Sünde, wenn ich mich damit von Gott und seiner Liebe trenne. Weil jeder Mensch ein Abbild Gottes ist, bedeutet sündigen dabei vor allen Dingen auch, sich von seinen Mitmenschen „abzutrennen“. Ich sündige, wenn ich mich von den Menschen um mich herum abwende und den Beziehungen, die ich zu ihnen habe, schade. Sie bewusst verletzte.

So betrachtet ist eine ganze Tafel Schokolade auf einmal zu essen natürlich keine Sünde, es sei denn, ichhätte sie jemand anderem mit Absicht weggegessen. Und auch für die Aktion an der Parkschranke muss ich mich nicht schämen. Schließlich wollte ich niemanden bewusst ärgern.

Zu wissen, was für mich als Christin Sünde ist, und was nicht, ist für mich eine Riesenbefreiung: denn dann wird mir bewusst, dass das meiste, was bei mir an einem Tag so schief läuft, zwar ärgerlich oder auch mal peinlich sein kann. Von Gott aber trennt es mich nicht und mit anderen Menschen kann es mich im besten Fall sogar verbinden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37077
weiterlesen...