SWR4 Abendgedanken

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16FEB2023
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Heute, am „schmutzigen Donnerstag“, geht die fünfte Jahreszeit wieder in die heiße Phase. Und ich merke auch dieses Jahr: Mir fehlt ein bisschen das „Narren-Gen“. Leider. Denn wenn sich alte Freunde wieder in der Heimat treffen, Familien gemeinsam durch die Straßen ziehen und alle zusammen die bunten Bräuchepflegen, ist das eigentlich was Tolles.

Zum Beispiel, wenn die Narren die Rathäuser stürmen und symbolisch die Macht übernehmen. Oder wenn die Menschen durch die Straßen ziehen, sich verkleiden und besonders die Mächtigen veralbern. Für ein paar Tage herrscht fast überall eine verkehrte Welt.

Eine verkehrte Welt begegnet mir aber nicht nur an den närrischen Tagen. Sie ist auch so etwas wie die Kernbotschaft meines Glaubens. Denn über Jesus wird in der Bibel gesagt, dass er die Dinge auf den Kopf stellen wird. Dort heißt es: „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.“1

Jesus erklärt den Menschen: Mit mir bricht eine Zeit an, in der nicht die Starken und Reichen herrschen, sondern im Gegenteil: In der die Schwachen und Armen an erster Stelle stehen. Statt sich mit den Mächtigen zu verbinden, geht Jesus zu denen, die am Rande stehen – die als wertlos gelten oder sich selbst für wertlos halten. Und er zeigt ihnen, wie unendlich kostbar in Gottes Augen sind. Jesus verkündigt „das Königreich der Demütigen und Schwachen“. Er sagt: „Die Letzten werden die Erste sein.“2

So wie an der Fasnet, wenn Politiker wie in Stockach vors Narrengericht müssen und alles auf dem Kopf steht, so ist auch in der Welt, von der Jesus spricht, alles verkehrt. Aber nur auf den ersten Blick. Denn seine Botschaft ist keine verquere Theorie und auch kein toller Spaß, der nach ein paar Tagen sein Ende hat. Jesus zeigt, dass mit ihm tatsächlich eine neue Zeit beginnt: eine Welt, in der die Liebe mächtiger ist als der Tod.

Wenn jetzt wieder die vielen Narren unterwegs sind, erinnern sie mich daran, dass ich auf eine bessere Welt hoffen kann. Und ich frage mich, was auch in meinem Leben auf den Kopf gestellt werden muss, damit es in Gottes Augen richtig herumläuft.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37076
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