Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

09FEB2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ich komme mir vor wie eine Komplizin! Ich sitze in der Bahn und werde Zeugin eines Plans. Um genauer zu sein, eines Lebensplanes. Ein paar Sitze weiter sitzen zwei junge Mädels und unterhalten sich über ihre Zukunft. Der Anlass sind wohl die vergangenen Halbjahreszeugnisse. Ich schätze sie so auf kurz vor ihrem Abschluss. Die Mädels sind jedenfalls guter Dinge und erzählen sich von ihren geradlinigen Plänen.

Also nach der Schule müsse ja ein Freiwilligendienst gemacht werden und danach braucht es dann noch zwei Praktika. Und wenn sie das nicht machen, haben sie ja eh keine Chance in der Job-Welt. Außer eine von ihnen hat noch ein bisschen Vitamin B übrig. Aber Hauptsache ist, dass ein roter Faden im Lebenslauf erkennbar ist, ohne Lücken oder Abweichungen. Weil sonst wären sie Verlierer.

Ich bin perplex, als ich die beiden so reden höre. Für mich klingt das nach jeder Menge Stress und Druck. Sie hören sich so an, als würden sie ständig lernen und ihren Plan optimieren und wahrscheinlich sind gute Noten für sie der Schlüssel für alles.

Am liebsten hätte ich mich zu den beiden hingesetzt, leider steigen sie aus der Bahn aus. Schade. Aus eigener Erfahrung hätte ich ihnen nämlich dann gesagt, dass mein Berufsleben nicht zielstrebig verlaufen ist, sondern dass ich ein paar Irrwege betreten habe. Und gerade das ist für mich sehr wertvoll gewesen. Und Noten haben mir bei allem am wenigsten geholfen.

Ich hab zum Beispiel verschiedene Jobs ausprobiert, so, wie sie sich gerade ergeben haben. Manche Jobs habe ich erst gar nicht bekommen und manche haben nur sehr wenig Geld gebracht, aber dafür habe ich sehr viel gelernt. Und manche habe ich nach zwei Monaten auch wieder sein lassen, weil es einfach nicht für mich gepasst hat. Aber keinen dieser Jobs habe ich bereut. Jede Erfahrung war wertvoll. Ich habe mich ausprobiert und festgestellt, was mir liegt und was nicht.

Was mir aber bei allem am meisten geholfen hat, ist glauben und vertrauen. Und zwar in erster Linie an mich selbst, dass ich mehr wert bin als jedes Zeugnis. Und ich habe immer darauf vertraut, dass es irgendwie weitergeht, auch wenn ich noch nicht gesehen habe, wie. Und so war es dann auch.

Das Schöne ist, wenn ich zurückblicke, dann ist da trotz all meiner Irrwege ein roter Faden erkennbar. Es ergibt alles Sinn und nichts ist falsch gewesen. Deshalb hätte ich den Mädels gerne gesagt: Plant nicht so viel und auch Noten sind nicht alles. Es gibt viel mehr und vor allem seid ihr viel mehr wert! Ihr dürft Fehler machen und euch ausprobieren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37049
weiterlesen...