SWR2 Wort zum Tag

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04JAN2023
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Ich muss gestehen: Mit der Art und Weise wie manche Menschen für den Klimaschutz demonstrieren, tue ich mich schwer. Tomatensuppen auf Kunstwerke zu werfen, finde ich falsch. Denn für mich sind diese über ihren finanziellen Wert hinaus besonders kostbar. Sie machen sichtbar, wozu wir Menschen im positiven Sinne schöpferisch in der Lage sind. Ich finde, ganz gleich wie wichtig ein Anliegen ist, von der Kunst sollte man die Finger lassen.

Andererseits bin ich den meist jungen Menschen sehr dankbar für Ihren Einsatz. Sie versuchen unermüdlich, uns wachzurütteln. Dabei stoßen sie bei einigen zwar auf Verständnis, aber über das Verständnis hinaus geschieht wenig. Sie fordern uns auf, dass wir unser Leben ändern müssen und dass wir weniger haben und weniger verbrauchen sollen. Damit haben sie einen schweren Stand. Denn das will ja niemand hören. Wenn unsere Gewohnheiten in Frage gestellt werden, machen wir dicht. Das ist für die frustrierend, die sich für den Klimaschutz einsetzen. Noch dazu müssen sie sich ständig - zum Glück nur von einer Minderheit -  anhören, dass der Klimawandel doch gar nicht existiert und es Temperaturschwankungen immer gegeben hat. CO2 heißt es da, sei sowieso kein Problem. Und viele schieben die eigene Verantwortung von sich - mit Sätzen wie: „Solange es Kreuzfahrtschiffe gibt, kann ich noch lange mit dem Auto durch die Gegend fahren“.

Das alles schlägt den Aktivisten entgegen. Dabei haben sie alle Erkenntnisse der seriösen Wissenschaft auf ihrer Seite. Gleichzeitig spüren sie bedrohlich, dass sie Teil der letzten Generation auf dieser Erde sind. Ehrlicherweise kann ich da dann doch auch verstehen, dass irgendwann die Geduld ans Ende kommt und man irgendwas irgendwohin schleudern will. Ich vermute, sie werfen Suppen auf Kunstwerke, um folgendes zu sagen: Alle Errungenschaften menschlicher Kultur werden wertlos, wenn kein menschliches Leben mehr möglich ist. In diesem Sinne sind es also wir alle, die die Kunstwerke beschmutzen und zerstören. Denn wir zerstören die Lebensgrundlagen und zeigen damit, dass uns unsere eigene Kultur egal ist. Die Suppenwürfe sind nur ein krasses Symbol für die Folgen unserer Lebensweise. Diese Logik ist nachvollziehbar. Aber ich finde, es ist zu viel Provokation. Die führt nicht zu Einsicht, motiviert nicht zum Handeln, sondern lenkt ab. Ich glaube, sie bewirkt nur, dass sich Gräben vertiefen, dass nicht wenige Leute mit Ablehnung reagieren und sich verschließen. Ich befürchte, dass wir zu viel darüber diskutieren, welche Form des Protestes angemessen ist und nicht über die Sache selbst. Dadurch verlieren wir Zeit, die wir -da stimme ich den Protestierenden zu – bei diesem wichtigen Thema nicht haben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36648
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