SWR2 Wort zum Tag

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08NOV2022
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Jesus kommt in den Tempel von Jerusalem und stößt dort auf Händler, Krämer und Geldwechsler. Es herrscht ein buntes Treiben. Er wird wütend, vertreibt die Leute und ruft den bekannten Satz: „Ihr habt aus meinem Haus eine Räuberhöhle gemacht.“

Es ist ein zorniger Jesus, der uns da begegnet, keiner, der Verständnis zeigt und mitfühlend ist. Offenbar sind die Händler im Tempel zu weit gegangen. Sie haben eine Grenze überschritten, die Jesus nicht akzeptieren kann. Sie haben den Tempel zweckentfremdet.

Aus der Perspektive eines Händlers bietet der Tempel, wie man heute sagt: eine 1A Innenstadtlage. Leute kommen zusammen, es gibt einen zentralen Platz und jede Menge Laufkundschaft. Da lässt es sich gut Geld verdienen. Und jeder marktwirtschaftlich denkende Mensch wäre ja dumm, wenn er diese Vorzüge nicht nutzen würde. Da sind mindestens zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Man kann sich um sein Seelenheil kümmern und auf dem Nachhauseweg noch nötige Einkäufe erledigen. Die Händler gehen nur einer offenbar tief menschlichen Regung nach: Möglichst effektiv das eine mit dem anderen zu verbinden und Geld zu verdienen.

Aber nicht mit Jesus!

Ich weiß nicht, ob er was gegen Handel oder Geld an sich hat, ich denke eher nicht. Aber hier an diesem Ort hat das Geldverdienen nichts verloren. Ein Tempel ist ein Tempel, so könnte man seine Worte deuten. Ich halte das für einen sehr wichtigen Gedanken. Auch und gerade in unserer Zeit, in der Effizienz und Gewinnmaximierung bis ins Letzte ausgereizt werden.

Private Pflegeunternehmen schütten Millionengewinne an ihre Aktionäre aus. Gleichzeitig ist der Personalschlüssel bei den Angestellten viel zu schlecht und viele Bewohner von Heimen vereinsamen. Denn es wird vergessen: Ein Pflegeheim ist ein Pflegeheim. Da geht es um Pflege, Fürsorge und Heimat. Nicht um Gewinn.

Wenn in den Zeitungen steht, dass einzelne Abgeordnete mit Maskendeals oder anderen fragwürdigen Geldgeschäften in die eigene Tasche wirtschaften. Da muss man sagen: Ein Parlament ist ein Parlament. Da geht es um Demokratie, das Lenken eines Landes, um das Wohl der Bevölkerung. Nicht darum reich zu werden oder im Mittelpunkt zu stehen.

An vielen Stellen drängt sich die Frage auf: Worum geht es eigentlich und was machen wir daraus?

Es wird kein wütender Jesus mehr kommen und die Sache in die Hand nehmen. Das müssen wir schon selber übernehmen. Und ich weiß auch nicht, ob Wut und Zorn dafür ausreichen. Ich schlage vor, die Verantwortlichen fangen an mit etwas mehr Bescheidenheit und Demut. Und am besten damit, sich darauf zu besinnen worum es eigentlich geht und worauf es ankommt: Nicht auf das eigene Ego, sondern ein funktionierendes Miteinander.

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