SWR1 3vor8

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06NOV2022
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Gibt es in unserer Gesellschaft noch ein „Wir“ – oder driften wir immer weiter auseinander? Dieser Frage geht die ARD Themenwoche nach, die heute beginnt. Das Motto lautet: „WIR GESUCHT – was hält uns zusammen“. Im Vorfeld hat sich die ARD in einer bundesweiten Mitmachaktion auf die Suche nach Orten gemacht, an denen sich Menschen vorurteilsfrei begegnen – trotz unterschiedlicher Standpunkte. Orte, an denen sie hass- und angstfrei miteinander sprechen können. Melden konnte man sich aber auch, wenn man ganz konkret bei der Arbeit, im Verein oder im Stadtteil erlebt, dass Konflikte sich verhärtet haben, oder Gruppen gar nicht mehr richtig miteinander reden. Ich finde gut, dass in der Themenwoche beides Platz hat: dass mutige Beispiele gezeigt werden, wo Spaltungen überwunden werden, aber auch, dass Konflikte nicht ausgeblendet, sondern angeschaut werden. Nur dann kann sich etwas ändern.

In katholischen Gottesdiensten ist heute ein Bibeltext zu hören, der ganz gut zur ARD-Themenwoche passt. Innerhalb des Judentums gab es Gruppen, die nicht gut aufeinander zu sprechen waren. Zum Beispiel die gesetzestreuen, aber oft auch kleinkarierten Pharisäer. Ganz anders die Zeloten, die radikal und – wenn es sein musste – mit Gewalt ihre Position durchsetzen wollten. Im heutigen Bibeltext ist von einer dritten Gruppe die Rede. Von den Sadduzäern. Sie waren reich, gehörten der oberen Gesellschaftsschicht an und hatten sich mit den Mächtigen im Land arrangiert. In dieser komfortablen Situation kann ihnen wenig passieren. Alle anderen sind ihnen egal. Ganz im Gegensatz zu Jesus, der sich gerade den Armen zuwendet.

Die Sadduzäer wollen Jesus provozieren und benutzen alle Tricks und Spitzfindigkeiten, um ihn bloßzustellen. Beachtlich finde ich, wie Jesus auf die Sadduzäer reagiert. Er weicht ihnen nicht aus, sondern nimmt sie ernst. Ganz sachlich antwortet er, betont das Gemeinsame und begibt sich damit auf Augenhöhe. Gleichzeitig macht er deutlich: „Gott ist ein Gott von Lebenden.“ (Lk 20,38) Und gutes Leben will Gott für alle Menschen. Nach dem Tod, aber auch schon heute. Und für alle. Nicht nur für eine Gruppe, wie die der Sadduzäer. Sondern gerade auch für die schwächeren, ärmeren oder weniger gelehrten Menschen.

Die Bibelstelle endet damit, dass einige Schriftgelehrte feststellen: „Jesus, du hast gut geantwortet.“ (Lk 20,39) Und ich denke weiter: so kann Gemeinschaft gelingen. Trotz unterschiedlicher Standpunkte miteinander im Gespräch bleiben und ganz besonders die, die in unserer Gesellschaft am Rand stehen, in den Blick nehmen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36423
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