Anstöße sonn- und feiertags

Anstöße sonn- und feiertags

09OKT2022
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Generationen von Kindern haben von Ihren Eltern gehört: „Lüg nicht! Tu nichts, was dir verboten ist – auch nicht heimlich! Du weißt ja: Der liebe Gott sieht alles! Und eines Tages wirst Du bestraft für alle Fehler.“ Wie genau diese Bestrafung dann aussieht, war in der Regel der Angst und der kindlichen Phantasie überlassen.

Heute wird Kindern glücklicherweise nur noch selten so gedroht. Und auch die meisten Erwachsenen die ich kenne glauben nicht an den strafenden Gott.  

Mein Eindruck ist: Viele kämpfen stattdessen heute vielmehr gegen sich selbst. - gegen eine Art inneres Gericht: „Bin ich gut genug für diesen Job?“, „Sehe ich gut genug aus?“, „Kann ich die Erwartungen erfüllen, die andere an mich stellen?“

In der Bibel schreibt der Apostel Paulus: „Hört auf, so über euch zu urteilen. Wartet auf Gottes Urteil. Gott wird alles ans Licht bringen, was verborgen ist.“

Auch Paulus sagt also: Der liebe Gott sieht alles! Aber er zieht daraus ganz andere Schlüsse. Er sieht einen gütigen Gott und schreibt deshalb weiter: Gott wird alles ans Licht bringen, auch das, was Verborgen ist. Und dann wird Gott euch loben, so wie ihr es verdient.

Der Satz „Der liebe Gott sieht alles!“ bekommt so eine ganz neue Bedeutung: Gott behält das Gute im Blick. Selbst dann, wenn ich nichts Gutes mehr an mir finden kann. Gott weiß um alles, was ich lieber verstecke: meine Eitelkeit und Selbstzweifel. Aber Gott sieht gleichzeitig auch das, was ich gut kann, was mich ausmacht, wofür ich brenne, wer ich bin. Und dafür wird mich Gott eines Tages loben.

Eine großartige Vorstellung, die mich ermutigt: Denn wenn Gott mich lobt, für das, was ich tue und was mich ausmacht, dann darf auch ich ab und zu ein bisschen gnädiger mit mir selbst sein. Dann kann ich meinen Selbstzweifeln und dem inneren Gericht einfach mal eine gute Portion Lob entgegensetzen.

Und vielleicht gelingt es mir dann sogar, auch die Menschen um mich herum ein bisschen mehr so anzuschauen, wie Gott es tut: Mit einem liebevollen, wertschätzenden Blick und mit lobenden Worten auf der Zunge.

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