SWR2 Wort zum Tag

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10SEP2022
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Jeden Morgen hat er auf derselben Bank gesessen. Direkt vor dem Strandzugang. Immer mit dem Handy in der Hand. Unverkennbar ins Gespräch vertieft. Keine Augen für sein Drumherum. Einmal habe ich dann doch gefragt: „Warum immer hier?“ Seine Antwort: „Hier ist das beste Netz weit und breit. Die beste Verbindung!“ – Er hat dabei gelächelt. Ich habe ihm nicht widersprochen, obwohl ich längst auch andere Ort mit gutem Netz entdeckt hatte. Aber für ihn war es diese Bank. Sie war sein Kommunikationsort. Über die kleine begrenzte Lebenswelt hinaus.

Mir ist da plötzlich Jakob in den Sinn gekommen. Die Bibel erzählt von seiner Flucht vor seinem Zwillingsbruder. Jakob hatte ihn zuvor ordentlich um sein Erbe betrogen. Und nun fürchtet er um sein Leben. In unwirtlicher Umgebung, auf kargem Boden verbringt er seine erste Nacht. Er träumt. Aber keinen Alptraum. Er träumt, dass er Verbindung hat. Dass sein Netz hält. Dass Gott ihn nicht abschneiden wird von den lebensnotwenigen Verbindungen. Von Engeln träumt er, die auf einer Leiter erst heruntersteigen. Und dann wieder hinauf.

Am nächsten Morgen markiert Jakob diesen Ort. Für ihn ein ganz besonderer Ort. Der Ort, an dem er erfährt: Ich habe Verbindung. Jakob gibt dem besonderen Ort einen Namen. „Haus Gottes“ nennt er ihn. (1. Mose 28,17) Es ist ein entscheidender Knotenpunkt im Netz der tragenden Verbindungen seines Lebens. Zumal wenn es um die Verbindung zu Gott geht.

Vor meinem inneren Auge taucht der Mann auf der Bank wieder auf. Und ich frage mich: Wo sind meine Orte, die die besonderen Kommunikationspunkte meines Lebens markieren? Wo ist der Ort mit der besten Verbindung zu Gott? Die kleine Kapelle mitten in den Weinbergen, zu der es mich immer wieder hinzieht. Und das kleine Vaterunser, das mit einem Mal wie von allein aus mir aufsteigt. Der Augenblick Ruhe am Morgen, wenn ich mich noch einmal hinsetze und bei einer Tasse Kaffee innerlich meinen Tag strukturiere. Und die besonderen Herausforderungen in den Blick nehme. Und sie dann auch immer wieder Gott in den Blick zu rücken versuche.

Ich bin sicher: Die meisten Menschen kennen ihre Bank. Die besonderen Orte, an denen Sie ihr lebensnotwendiges inneres Beziehungsnetz pflegen. Mit den Menschen, auf die sie angewiesen sind. Und immer wieder auch mit Gott. Ich will darauf achten, dass diese Orte in meinem Leben nicht zu kurz kommen.

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