Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Eine Idylle vor den Toren der Stadt Hamburg: Inmitten eines großen Gartens steht eine alte, reetbedeckte Bauernkate. Der riesige Kastanienbaum daneben legt seinen wohltuenden Schatten auf den Brunnen. Nicht fern: ein Fischteich, eine Scheune, Gewächshaus und Gärtnerei. Und dann die Felder: Hafer, Gerste und Kartoffeln. Und endlose Reihen von Apfelbäumen.
So sah die Keimzelle der modernen Diakonie aus. Das „Rauhe Haus“. Gegründet von Johann Heinrich Wichern im Jahre 1833. Hier hat Wichern entdeckt: Gottes Liebe gilt besonders den Schwachen, den Benachteiligten, denen, die am Rande der Gesellschaft leben. – Damals wie heute.
Wichern war 26 Jahre alt, frisch examinierter Theologiestudent der evangelischen Kirche. Gemeinsam mit seiner Mutter und seinen sechs Geschwistern zieht er in das Bauernhaus: getrieben von der Idee, die alte Bauernkate zu einem „Rettungshaus“ für verwahrloste Kinder zu machen.
Erst holt Wichern nur Jungen aus der Stadt, aus verdreckten, düsteren Elendsquartieren. Kurze Zeit später auch Mädchen: verlaust, unterernährt, misshandelt und vor allem: ohne Schulbildung. Straßenkinder, deren verarmte und entwurzelte Eltern sie nicht ernähren können. Das war Deutschland zu Beginn der Industrialisierung
Der Antrieb zur Gründung des „Rauhen Hauses“ kommt aus eigener, bitterer Erfahrung: Sein Vater stirbt, da ist er, der älteste Sohn, gerade mal 15 Jahre alt. Von einem Tag auf den anderen muss er die sechs Geschwister und die Mutter ernähren: Er wird Hauslehrer, kaum dass er die Schule beendet hat, das Geld reicht aber vorne nicht und hinten. Hartz IV würde man heute sagen, vererbte Armut.
Doch Johann Heinrich Wichern entdeckt gerade darin den Glauben: Gott ist auf der Seite der Schwachen, das ist seine feste Überzeugung. Gott verlässt die armen Menschen nicht. Armut ist keine Schande! Gott beschenkt einen jeden mit Liebe, Gnade und Barmherzigkeit. Ohne Ausnahme.
Und so ergreift er seine Chance: Als Lehrer findet er Zugang zu einflussreichen, frommen Familien in Hamburg. Und wie er die Zöglinge aus den reichen Familien unterrichtet, so überzeugt er zugleich die reichen Familien von seiner Mission: Der Aufbau des Rettungshauses für die armen Kinder, die Gründung des Rauhen Hauses.
Schnell findet er Unterstützung: Das war der Beginn der modernen Diakonie: Den armen, kranken und schwachen Menschen gilt die Liebe Gottes.
Johann Heinrich Wichern, am kommenden Montag wird er 200 Jahre alt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3474
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