SWR1 Begegnungen

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Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag, ich bin Roland Spur von der Evangelischen Kirche und möchte Ihnen heute Pfarrer Heinrich Georg Rothe, den frisch gebackenen Islambeauftragten der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, vorstellen. – Wie bitte, etwa ein Pfarrer für Muslime? Was macht er?

Zum einen bin ich ja evangelischer Pfarrer und ich bleibe auch Pfarrer, ich bin nicht ein staatlicher oder kommunaler Beauftragter. Und meine Aufgabe ist tatsächlich von Jesus Christus zu sprechen, ihn zu predigen. Ich habe das zum Beispiel bei meiner Einführungspredigt gemacht, als ich eingeführt wurde als Islambeauftragter. Das ist mir ein Anliegen. Und das gehört einfach zur christlichen Existenz dazu.


Teil 1
Pfarrer Heinrich Georg Rothe ist der erste Islambeauftragte der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, 53, verheiratet, drei Kinder. Er gilt als Islamkenner. In einer Esslinger Kirche wurde er mit einem Gottesdienst feierlich in sein neues Amt eigeführt. Und nach dem Segen gab es besondere Musik.

Zwei Instrumente spielen hier zusammen, Orgel und arabische Laute. Sie begleiten einen Gesang über die Liebe Gottes. „Zukunftsmusik“ hab ich gedacht. Alle hören gespannt zu, spüren wohl, dass sie was Besonderes erleben.
Diese spezielle Festgemeinde – und das kam anschließend beim Empfang deutlich raus,
fragt sich schon: Wie hört sich das an, wenn sich Menschen aus verschiedenen Religionen begegnen? Wie wird das sein, wie wird sich das entwickeln, wenn er sein Amt antritt?
Herr Rothe, was macht eigentlich ein landeskirchlicher Islambeauftragter?

Ich habe mehrere Aufgaben. Ich gehe einerseits in unsere Kirchengemeinden, ich gebe ihnen Rat, wenn sie Kontakt suchen zu Muslimen. Ich gehe aber auch auf Muslime selber zu und zu Moschee-Vereinen. Ich habe die Aufgabe, auch den Oberkirchenrat und die Kirchenleitung zu beraten, drei Aufgabenfelder.

Aber es ist doch keine reine Schreibtischtätigkeit oder nur Gremienarbeit.

Bisher habe ich sehr unterschiedliche Arbeitsformen erlebt. Ich gehe zum Beispiel in Grundschulen, ich arbeite mit Grundschulkindern. Und das ist sehr anschaulich, denn die möchten keinen Vortrag hören. Ich sitze aber auch auf Podien, in der Erwachsenenbildung, es sind wirklich ganz unterschiedliche Formen. Was etwas sehr wichtiges ist, ist das Beieinandersein. Im Dialog wird auch viel gegessen, Iftah-Essen, auch das ist etwas, was mir sehr Spaß macht!

Moment, Herr Rothe, was ist das, ein Iftah-Essen?

Iftah-Essen („Fastenbrechen“). Das heißt: im Ramadan laden Muslime in Moscheen oder in andere Räumlichkeiten ein, dass man miteinander nach einem Fastentag das Fasten bricht. Ich würde mir ab und zu wünschen, dass auch unsere Kirchengemeinden solche Einladungen aussprechen würden.

Hmm, ja. Ein schöner Wunsch, den Pfarrer Rothe da ausspricht! »Nehmt einander gastfreundlich auf, ohne zu murren.« Nicht umsonst steht’s so in der Bibel. [1. Petrusbrief 4,9]. Weil das gar nicht selbstverständlich oder einfach ist, Fremde zu sich ins Gemeindehaus zum Essen einzuladen. Mir ist aufgefallen, dass Kirchengemeinden bereits bei solchen Einladungen von Muslimen Vorbehalte haben, unsicher sind, ja auch Ängste haben, da könnte was passieren, was sie nicht wollen.

Das ist tatsächlich eine Frage, die mir immer wieder begegnet: „Können wir das? Dürfen wir das? Verlieren wir nicht unsere Identität und unsern Glauben, wenn wir in dorthin gehen?“ Ich denke: Ja wir können das. Wir sind auch von den Muslimen gefragt. Die erwarten nicht, dass wir unser Christsein aufgeben, wenn wir zu ihnen kommen. Sie möchten uns als Christen haben.

Teil 2
„Jagt dem Frieden nach mit jedermann“ sagt die Bibel [Hebräerbrief 12,14]. Als Islambeauftragter hat man es da sicher nicht leicht. Der Frieden zwischen den Religionen ist nun selbst ein ständig umkämpftes Feld. Haben wir denn eine Alternative zum Dialog? Nein, doch – wer weiterhin am Gespräch festhält, der sieht sich jetzt selber Vorwürfen ausgesetzt. Und braucht sehr viel Kraft.

Sie haben es richtig gesagt. Wir bewegen uns in einem schwierigen Feld und auch in einer sehr schwierigen Zeit.

Misstrauen und Angst vor dem Islam. Eigentlich verblüffend, was da in Köpfen und Herzen mittlerweile vorhanden ist an Feindbildern, und was man da zu hören bekommt auch von engagierten Christen, die also ehrenamtlich viel von ihrer Zeit in kirchliche Mitarbeit stecken.

Das ist mir nicht nur einmal begegnet in unsern eigenen Kirchengemeinden, davon sprechen wir hier. Ich war selber auch Gemeindepfarrer und kenne diese Angst sehr gut. Ich war in Esslingen Pfarrer, es wurde dort sehr heftig gestritten um den Bau einer Moschee, und da war immer wieder die Aussage im Raum: »Der Islam will uns überrennen. Der Islam will Europa. Der Islam will Deutschland.« Das ist mir auch begegnet.

Was der Apostel Paulus sagte: »Ist's möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden« [Römerbrief 12,18], das wirkt atmosphärisch weit weg. Ob wir, die Christen uns da vom derzeitigen gesellschaftlichen Trend groß unterscheiden?

Die Statistik sagt, und die Meinungsumfragen, dass zwei Drittel der Deutschen Vorbehalte gegenüber dem Islam haben und ihn auch für aggressiv halten und den Muslimen nicht zutrauen, dass sie gut mit uns zusammenleben wollen.

Und wie geht’s ihm, wenn er damit in die nächsten Begegnungen geht und muslimischen Gesprächspartner damit konfrontiert, wie – in Kirchen – über sie gedacht wird?

Also ich erinnere mich sehr gut, wie groß das Erstaunen oder auch Erschrecken von muslimischen Partnern war, wenn ich versuchte, ihnen so etwas deutlich zu machen und zu erklären. Natürlich sehen sie sich selber anders. Sie erleben auch ihre Gemeinschaft anders. Viele von ihnen können sich das nicht vorstellen. Und ich denke, da haben wir sogar eine gemeinsame Aufgabe im Dialog, dass wir gemeinsam daran arbeiten, solche Verfeindungen zu überwinden.

Gemeinsamkeiten. Wo sieht er als Islambeauftragter und Fachmann eigentlich Ansätze für seine Arbeit, Brücken zu bauen und Vorurteile abzubauen? Wo die Reizwörter und -themen seit 2001 doch so präsent sind, als sei es gewollt, dass man Islam gleichsetzt mit Islamismus.

Ja, das ist schade, denn wenn ich jetzt etwa an Maria denke! Sie kommt schon vor für Muslime. Wenn ich in eine Moschee gehe, und mir dort die Gebetsnische anschaue, den Mihrab, dann finde ich dort relativ häufig ein Koran-Wort, das daran erinnert, wie Maria im Tempel war und von Gott mit Nahrung versorgt worden ist. Das sind sehr anrührende Worte, die da Muslime ansprechen und treffen in ihrer eigenen Moschee. Es ist eigentlich etwas Schönes und etwas Spannendes, so etwas zu entdecken! Gut, Maria spielt auch deshalb eine Rolle, weil sie daran erinnert, dass Jesus eine menschliche Mutter hatte. Dass er also wirklich Mensch ist und reiner Mensch, und auch – jetzt aus christlicher Perspektive gesprochen – nur Mensch. Ich denke, das kann man aber aushalten, dass einerseits Verbindung da ist, verbindendes und gleichzeitig die Differenz auch so klar im Raum steht.

Zum Schluss habe ich Heinrich Rothe noch gefragt, ob er eine Vision, ein Ziel, einen Traum hat.

Ich wäre schon froh – und auch das ist ein Traum, wenn ich in einer Krisensituation dann die richtigen Telefonnummern und Handynummern parat hätte und sofort wüsste, mit wem ich Kontakt aufnehme. Und ich kann Ihnen auch sagen, dieser Traum hat sich schon oft erfüllt. https://www.kirche-im-swr.de/?m=3470
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