SWR3 Gedanken

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26NOV2021
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Mein Freund Christian hat zehn echt heiße Tage hinter sich. Und das kam so. Seine Lunge musste geröntgt werden, und danach hat der Arzt zu ihm gesagt: „Eigentlich alles ok, nur hier rechts dieser geldstückgroße Schatten – den müssen wir nochmal mit einer Computertomographie überprüfen.“

Bis zum CT waren es zehn Tage - und die waren heiß, weil Christian sich ständig gefragt hat: Was nun, wenn der Schatten ein Tumor ist? Schnell hatte er raus, dass er damit vielleicht nicht einmal mehr Weihnachten erleben würde. Seine Stimmung hat geschwankt zwischen traurig, wütend und kämpferisch. Inzwischen ist Gott sei Dank klar, dass es kein Tumor ist. Aber in dem Moment ging sein Gedankenkarussell voll ab und ist schließlich bei der Frage stehen geblieben: Falls ich sterben muss, gibt es etwas, das ich noch erleben möchte?

Ich habe Christian für diese Klarheit bewundert. Mich hat es an den Film „Bucket list“ erinnert. Da stellen sich zwei totkranke Männer die gleiche Frage und geben daraufhin nochmal richtig Gas: sie springen Fallschirm und gehen auf Safari und Motorradtour. Christian aber ist zu einem völlig anderen Schluss gekommen: Es gibt nichts, was ich noch abhaken müsste. Ich bin ganz zufrieden mit dem, wie mein Leben gelaufen ist.

Er hat mir erzählt, dass sich die Frage im Laufe der zehn Tage umgedreht hat. Er hat sich nicht mehr gefragt, was er noch erleben möchte, sondern: Was habe ich bisher schon alles erlebt? Vielleicht ist das die Frage, die in solch einer Extremsituation wirklich weiterhilft, weil sie nicht Druck aufbaut, sondern das schätzt, was ist und was war.

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