SWR4 Abendgedanken

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15FEB2021
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Wer meint, in der Bibel gibt es keine Narren, hat sich getäuscht. Es gibt dort keine Umzüge oder Prunksitzungen, wie sie bei uns normalerweise heute (am Rosenmontag) stattfinden. Die werden viele in diesem Jahr vermissen. Aber von Narren ist in der Bibel sehr wohl die Rede. Allerdings von solchen, die mit ihrer Art von Narrentum der Wirklichkeit sehr genau auf den Zahn fühlen. Bis es weh tut. Anderen und ihnen selbst.

Der Apostel Paulus bezeichnet sich an einer Stelle ausdrücklich als „Narr“: Gott hat uns, die Apostel, sagt er, auf den letzten Platz gestellt; (…) wir sind zum Schauspiel geworden für die Welt… Wir sind Narren um Christi willen…[1]. Das hört sich nicht gut an. Der Narr, als den Paulus sich bezeichnet, ist keine harmlose Angelegenheit. Keine Witzfigur, über die man sich halt ein bisschen amüsiert, weil sie billige Späße macht. Paulus wird ausgelacht, von den anderen verspottet, weil er anders ist und damit den Finger in eine Wunde legt. Als Apostel, als Gefolgsmann von Jesus stellt er sich an den letzten Platz. Er entlarvt damit alle, die sich selbst so wichtig nehmen und bloß darauf achten, dass sie Anerkennung bekommen. Also lacht man den Toren/Naivling aus, der sich freiwillig ans Ende der Schlange stellt. Paulus wird als Narr angesehen, weil er daran festhält, dass die Welt, in der er lebt, nicht alles ist. Er glaubt an ein anderes Leben bei Gott nach seinem Tod. Darüber können die, die sich hier so gut eingerichtet haben, die sich sicher und fest im Sattel fühlen, nur lachen. Die ganze Botschaft des Jesus von Nazareth ist für sie eine Torheit, an die nur Narren glauben können, die keine Ahnung davon haben, wie es in der Welt zugeht. Im ersten Moment kann man über sie lachen, aber der nüchterne Ernst dieser Welt wird sie bald einholen. Dann ist Schluss mit lustig.

Der Narr ist das „Symbol einer anderen Welt“[2]. Das trifft auf die Büttenredner zu, wenn sie mit deftigen Sprüchen Kritik an den Politikern üben. Das trifft auf Menschen wie Paulus zu, die für ihren Glauben einstehen. Er konfrontiert seine Zuhörer mit den Worten des Evangeliums. Das mögen manche lachhaft finden. Aber ihm ist es absolut ernst. Weil er damit über diese Welt hinausweist. Und das ist noch viel befreiender als die herrlichste Narretei.

 

[1]vgl. 1. Korintherbrief 4,9-13

[2]Rainer Ruß (Hg.), Gott bei den Tänzern und Narren, Trier 1979, 13.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32600
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