SWR4 Feiertagsgedanken

SWR4 Feiertagsgedanken

01NOV2020
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Heilig. Heiligkeit. Es legt sich nahe, heute an Aller-Heiligen darüber zu sprechen. Was das bedeutet: heilig zu sein, heiligmäßig zu leben. Aber dann beschleicht mich gleich der Verdacht, das könnte ein ziemliches „Luxusproblem“ sein. Für das sich allenfalls Theologen interessieren, oder Katholiken, die regelmäßig in die Kirche gehen. Es gibt doch weiß Gott wichtigere Themen, mit denen ich mich in meiner kostbaren Sendezeit hier auseinandersetzen könnte: Wo Christen einen guten Beitrag für die Allgemeinheit leisten können. Was wir ändern müssen, damit unser Leben mehr dem Evangelium entspricht. Wie wir für andere ein gutes Vorbild werden, indem wir die Gebote befolgen. Und bestimmt nicht zuletzt, wie wir als Gesellschaft gut durch diese schwierige Corona-Zeit kommen.

Für mich hat die Frage nach der Heiligkeit allerdings sehr viel mit dem allen zu tun. Denn heilig zu sein, verbindet mit Gott. Eigentlich ist es ausschließlich Gott, auf den dieses Wort zutrifft. Von ihm fällt allenfalls ein bisschen Glanz ab auf uns. Sozusagen ein Strahl seiner Heiligkeit, den wir dann bei diesem oder jenem Menschen sehen können.  Wer davon etwas ausstrahlt, der ist auf dem Weg, ein glücklicher Mensch zu werden. Nicht im Handumdrehen und nicht vollständig. Aber wer von sich sagen kann: „Mir ist etwas heilig“, und wer sich darum kümmert, wer dieses Heilige pflegt, dem wird das gut tun. Und es wird ihm in seinem Leben besser gehen, als so manchem, der dafür keinen Blick hat.

Das Lachen eines Menschen, das ist für mich so eine heilige Sache. Wenn ich auf dem Gesicht eines anderen sehen kann, dass er sich von ganzem Herzen über etwas freut. Das kann ein Geschenk sein, oder eine Begegnung mit jemandem, es kann ein Glücksgefühl sein, dass ihn überkommt oder einfach der sichtbare Ausdruck: „Ich bin im Moment zufrieden.“ Wenn ich sehe, wie jemand lacht, dann richtet mich das regelrecht im Inneren auf. Und ganz oft reagiere ich unwillkürlich mit einem eigenen Lachen. Auf diese Weise verbindet das Lachen zwei Personen. Es bringt zum Ausdruck, was den Menschen groß macht, schön, erhaben. Und weil ich darin auch eine Verbindung zu Gott erkenne, nenne ich das: heilig. Im Mittelalter gab es einen Streit darüber, ob Jesus gelacht hat. Die einen waren der Meinung: Das kann nicht sein. Der Sohn Gottes lacht nicht; das ist sozusagen unter seiner Würde. Die Gegenpartei war der Auffassung: Oh ja, wer so gedacht und gelebt hat wie Jesus, der hatte bestimmt viele Gelegenheiten, um froh und glücklich zu sein. Das ist auch meine Meinung. Jesus hat gelacht. Wenn einer, dann er. Weil er ganz Mensch war. Weil sich in seinem Lachen etwas von der Heiligkeit gezeigt hat, die ihm eigen war.

An einem Text aus der Bibel kann man das besonders gut zeigen. Davon gleich mehr nach der Musik. 

Woran kann man erkennen, dass ein Mensch heilig ist, dass sich an ihm etwas von dem Glanz zeigt, der von Gott kommt? Mit dieser Frage beschäftige ich mich heute an Allerheiligen in den SWR4-Feiertagsgedanken. Und mir kommt dabei eine Bibelstelle zu Hilfe: Die Seligpreisungen, die Jesus einer Predigt voranstellt. Sie sind so etwas wie die Voraussetzung, dass ein Mensch etwas zum Lachen hat, dass er in seinem Leben das Glück findet. In mehreren Schritten buchstabiert Jesus dort, was einen Menschen heilig macht, was ihn zugleich menschlich sein lässt und mit Gott in Verbindung bringt.

Selig, die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich. Das Wort selig kann getrost durch heilig ersetzt werden oder auch durch glücklich. Alle drei Worte meinen das Gleiche. Hier, im ersten Schritt, dass es keine Schande ist, arm zu sein. Im Gegenteil: Wer nicht mehr sein will, als er ist, wer mit sich und anderen ehrlich umgeht, ja, wer weiß, dass er, sobald es drauf ankommt, immer nackt vor Gott dasteht und auch gar keine Verkleidung braucht, der kann glücklich sein. Automatisch, ohne dafür etwas tun zu müssen. So sieht man das Heilige an ihm.

So auch im zweiten Satz: Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden. Mit Trauer verbinden die meisten Menschen etwas Schlechtes, etwas das man sich lieber vom Leib halten will. Ganz anders Jesus. Für ihn macht es den Menschen heilig, wenn er mit dem umzugehen versteht, was das Leben dunkel macht; mit dem Tod, mit schwerer Krankheit, mit all den Problemen, die das Leben so bringen kann. So ist diese Welt. So ist das Leben des Menschen. Was traurig macht, gehört dazu. Es ist weder schlecht noch falsch. Wer trauert, weiß, was ihm wehtut und fehlt. Und er streckt seine Hände aus nach Rettung und Hilfe, und in letzter Konsequenz nach Gott. So entsteht eine heilige Begegnung.

Die Seligpreisungen halten noch weitere Wege bereit, wie man glücklich durchs Leben kommt. Sie lassen sich ohne weiteres auch auf die gegenwärtigen Einschränkungen der Corona-Zeitanwenden. Denn gerade jetzt brauchen wir doch Lichtblicke. Und die entstehen überall dort, wo man etwas von Gottes Heiligkeit auf einem menschlichen Gesicht sieht - sichtbar nicht zuletzt, wenn einer lächelt oder gar lacht: weil einer barmherzig reagiert, weil es sanftmütig zugeht, weil Frieden geschaffen wird. Das gibt es nämlich immer auch - neben allem, was uns das Leben schwer macht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31924
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