Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

08APR2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ich habe mich in den letzten Wochen oft gefragt: Was ist eigentlich zur Zeit die richtige Weise von Gott zu sprechen? Was kann ich von ihm sagen? Und wenn ich bete: Wie sag ich’s ihm? Irgendwie muss Gott auch in der augenblicklichen Krise zu finden sein. Er verabschiedet sich ja nicht, wenn‘s schwierig wird. Zumindest passt das nicht ins Bild, das die Bibel von ihm zeichnet, wenn es dort um Katastrophen und Abgründe geht. Als das Volk Israel nach Ägypten verschleppt wird und dort jahrelang gefangen ist, harrt Gott mit denen aus, die an ihm festhalten. Am Ende steht die glückliche Befreiung. Als der wohlhabende Ijob so gut wie alles verliert, was ihm lieb ist, wird die Verbindung zwischen ihm und seinem Gott nur noch stärker. Das dauert zwar und er muss sich mit Freunden herumschlagen, die ihm ein schlechtes Gewissen einreden. Aber das tut seinem Glauben keinen Abbruch: Ijob findet Gott auch im Dunkeln, in Krankheit und Tod. Ich muss zugeben: Einen strategischen Tipp, wie man so einen Glauben erreicht, liefert die Bibel kaum. Fast immer ist es der Hinweis durchzuhalten, nicht aufzugeben, das Vertrauen zu pflegen und zu bewahren, das man hoffentlich auch hat. Es scheint so, als würde Gott sich am ehesten in den Zwischenräumen der Wirklichkeit bewegen. Wenn einer krank ist, dann leidet er mit diesem. Wenn einer unglücklich am Boden liegt, dann hält Gott mit ihm aus. Die Perspektive ist nie eine schnelle Lösung wie von Zauberhand. Und doch ist ein Ziel da: Es wird so gut werden, wie es wird. Es steckt hinter allem ein Plan. Der führt in eine Lösung. Nur haben wir den zu keinem Zeitpunkt in der Hand. 

Und wie jetzt mit Gott in Kontakt bleiben? Wenn die Menschen sich nicht zu Gottesdiensten versammeln können. So zu tun, als ließe sich alles wie bisher fortführen, zur Not halt ohne Leute, das ist für mich keine Lösung. Noch mehr befremden mich die Versuche, auf alte Versatzstücke der Frömmigkeit zurückzugreifen. Weihwasser und konsekrierte Hostien töten leider den Corona-Virus nicht. Was bleibt also? Der Mensch bleibt. Der Mensch, der hilft, der mitleidet, der solidarisch handelt. Im Anderen begegnet uns Gott. Auch wenn zuletzt nur die Klage bleibt. Gott zu klagen und wenn es sein muss auch anzuklagen in Anbetracht der ungezählten Infektionen, der vielen auf den Isolierstationen und der Toten. Wo sie beklagt werden, da ist Gott auch. Deshalb darf die Klage nicht verstummen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30654
weiterlesen...