SWR1 Begegnungen

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Teil 1 

Albert Koolen ist 58 Jahre alt, unverheiratet, wohnhaft in Krefeld, Arbeitsplatz Flughafen Düsseldorf. Hier arbeitet er in einem Subunternehmen für die großen Autovermieter am Flughafen, sein Job: die Autos der Kunden entgegennehmen, sie kontrollieren, waschen, auftanken, wieder verleihen. Das Ganze im Zwei-Schicht-Betrieb, von morgens sechs bis zwei oder mittags zwei bis zehn.
So weit, so normal. Das Besondere: Albert Koolen hat etwas ganz anderes gelernt. Er hat Theologie studiert und ist Priester. Als Arbeiterpriester gehört er zu der Handvoll derer, die ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Kirche, draußen in der Welt verdienen. Warum macht er das, will ich von ihm wissen, als wir uns an einem Morgen vor seiner Spätschicht in seiner Wohnung in Krefeld treffen. Priester sein hatte für ihn immer vor allem damit zu tun, glaubwürdig zu leben, sagt er. 

Das hieß immer eben für mich auch ein Leben zu führen, was möglichst schlicht ist, nach Möglichkeit mich für meinen Glauben, den ich nun irgendwie zu verkünden habe, nicht bezahlen zu lassen von der Kirche, sondern von dem zu leben, was eben meiner eigenen Hände Arbeit dazukommt, und ansonsten hab ich mich immer verstanden auch, bisschen großes Wort auch, in der Nachfolge unseres Glaubensgründers, der ja im Grunde genommen selber kein professioneller Amtsträger war, sondern eher so eine Art Wanderprediger mit sehr geringen finanziellen Mitteln offensichtlich. 

Dass er an seinem Arbeitsplatz durchaus ein Exot ist, räumt er ein, aber weniger wegen seines Priesterseins als vielmehr aufgrund seines Alters. Die meisten Kollegen sind jünger:

Der Hauptteil der Kollegen sind so 25 bis 30 Jahre jünger, diese Arbeit wird auch von Jüngeren eigentlich nicht auf Dauer gemacht, also es gibt nur ganz wenige, die länger als zwei drei Jahre da bleiben, die meisten machen das, weil sie eben aus schulischen beruflichen Gründen im Moment nix anderes finden, da findet man immer einen Job, die einzige Voraussetzung ist eigentlich einen Führerschein zu haben, mehr nich. Man muss noch nicht mal die Sprache können, dann kann man da anfangen.

Entsprechend ist die Bezahlung, Mindestlohn oder gar Tariflohn - Fehlanzeige.

Und es ist äußerst schwierig zum Beispiel ne Arbeitnehmervertretung in solchen Betrieben aufzubauen, ich hab das auch immer noch nicht aufgegeben, ich bin ja Theologe mit dem Glauben an die Vision, bin ja noch knapp acht neun Jahre da drin, und bis dahin hab ich mir geschworen, gibt es einen Betriebsrat (lacht)

Glaubwürdig Priester zu sein, das heißt für Albert Koolen vor allem eben auch für Gerechtigkeit einzutreten, an der Seite der Schwächeren zu stehen, nicht nur am Arbeitsplatz. Zu seinem gesellschaftlichen Engagement und zu seinem ganz persönlichen Glauben mehr nach dem nächsten Titel.

 Teil 2

Albert Koolen verdient seinenLebensunterhalt bei einem Subunternehmen  für Autovermieter am Düsseldorfer Flughafen. Priester im engeren Sinn ist er vor allem am Wochenende. 

Ich halte also relativ regelmäßig in der Psychiatrie einmal im Monat einen Gottesdienst, schon seit vielen vielen Jahren, das hat sich damals so ergeben, dass keiner mehr da war, der das übernehmen wollte, und ich halte fast regelmäßig in einer Ordensgemeinschaft von Schwestern, die mittlerweile alle sehr alt sind, die nicht mehr gehen können und denen es schwerfällt, in ne Gemeindekirche zu gehen, halte ich auch einen Gottesdienst. 

Für diejenigen da sein, die in der gesellschaftlichen Hierarchie unten stehen oder gelandet sind, das ist für ihn Nachfolge Jesu. Koolen begleitet in seinem Stadtviertel Flüchtlinge und ihre Familien durch den Behördendschungel und kämpft gegen Rechtsextremismus und –populismus in seiner Stadt.

Die derzeitige Abschottungspolitik, den neuen Nationalismus und die Spaltung der Gesellschaft hat er kommen sehen. Es ist für ihn nur die Kehrseite, quasi die logische Folge dessen, was er entgrenzte Globalisierung nennt.  

Freier Warenaustausch, frei Märkte, für den normalen Kollegen oder für mich bedeutet das, ich bin sozusagen in Konkurrenz in gewisser Weise mit einem Kollegen, einer Kollegin in Bangladesch, dass da natürlich auch Menschen sich auf den Weg machen, da zu kucken, wo ihr Leben besser funktioniert als in ihren Heimatländern, ist völlig klar.

Völlig klar ist für ihn auch, dass Flüchtlinge nicht nur als Bedrohung angesehen werden dürfen. Auch mit Flüchtlingen  menschenwürdig umzugehen, ist Christenpflicht, mahnt er.

Das heißt eben auch ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen so zu unterstützen, dass sie eben auch hier existieren können und nicht nur vegetieren können.

Bei allem Einsatz für andre, für eine bessere, gerechtere Welt, hat er nicht manchmal auch das Gefühl, dass das alles nicht reicht, will ich am Ende wissen, und: Wie betet einer wie Albert Koolen?

Also ich bin tief davon überzeugt, dass es nicht von mir abhängt, dass nichts von mir abhängt eigentlich, aber es ist auch durchaus so, dass ich auch in guten Momenten das Gefühl habe, ich unterhalt mich mit Gott, ich kann auch gut sagen, danke dafür dass es im Moment heute alles so klappt wie es ist, finde ich schön, vielen Dank dafür. Aber ich finde ne angemessene Form für unsere Zeit ist eben die des eher Skeptischen, und ich tue mich immer sehr schwer mit Leuten, die von sich mit ner absoluten Sicherheit sprechen, das kommt mir manchmal so vor als ob diese kapitalistische Sicherheit des immer weiteren Profits und so einfach übertragen wird auf Spiritualität, man kann sich die Sicherheit kaufen indem man eben ne intensive Schulung macht oder so was. Aber die Sicherheit des Lebens kann sich niemand kaufen.

Als Christ und Theologe ziehe ich meinen Hut vor Menschen, die so leben wie Albert Koolen. Ich könnte es nicht, das wurde mir schon klar, als ich als Student in den Semesterferien am Fließband gejobbt habe. Man muss es auch nicht, sagt Albert Koolen. Jeder muss und darf seinen eigenen Weg der Nachfolge Jesu finden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26840
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