Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Der Ton wird härter. Mir fällt das schon seit geraumer Zeit auf. Wie respektlos Menschen sich begegnen. Was für schlimme Worte fallen, vor allem dann, wenn einer dem anderen nicht Auge in Auge gegenüber steht. Da scheinen die letzten Hemmungen zu fallen. Ich erlebe das auch manchmal, wenn ein Hörer sich über einen Beitrag von mir ärgert und dann schreibt: in einem Brief, per E-Mail, als Kommentar auf unserer Website oder bei Facebook. Es kommt sogar vor, dass jemand mich richtig beschimpft, schlimme Ausdrücke verwendet, verletzende Begriffe, die mir wehtun.

Warum ist das so? Warum greifen mich Menschen persönlich an, obwohl ich sie gar nicht kenne, ihnen also gar nichts zuleide getan haben kann? Mit Auseinandersetzungen in der Sache habe ich kein Problem. Da darf man mir alles sagen. Es muss keiner die gleiche Meinung vertreten wie ich. Aber der Ton muss stimmen! Ich will immer noch als Mensch behandelt werden. Streit ist wichtig, aber er muss auf Augenhöhe stattfinden und nicht unter der Gürtellinie. Ich erwarte also, ja, ich verlange Respekt und Benehmen. Ganz altmodisch. Es ärgert mich, wenn Politiker oder andere, die in der Öffentlichkeit stehen, das vermissen lassen und ein schlechtes Vorbild sind. Manch einer wird denken: Wenn die sich auf Facebook oder über Twitter fertig machen, dann darf ich das auch. Ach, und der andere sieht mich ja nicht, kennt vielleicht nicht mal meinen richtigen Namen. Da kann ich mir endlich mal Luft machen. Irgendwo muss meine Wut ja hin.

Nein, so nicht. Ich bin nicht der Blitzableiter oder die Projektionsfläche für die Interessen eines anderen. Ich bin und bleibe zuallererst: ein Mensch. So will ich behandelt werden. Und das sage ich auch: Wenn ich einem Kritiker antworte - und das tue ich in der Regel, wenn der Betreffende sich nicht völlig daneben benommen hat - weise ich darauf hin: Echter Dialog findet nur im gemäßigten Ton statt. Weil ich davon überzeugt bin, dass nur so der eine den anderen wird überhaupt verstehen können. Denn darum geht es mir in erster Linie: Um den Austausch von Gedanken, damit wir unterschiedliche Menschen mit unseren verschiedenen Ansichten und Charakteren uns besser verstehen. Ich halte das für wesentlich für unsere Demokratie. Manchmal, wenn ich eine Telefonnummer finde, greife ich zum Hörer. Das tut gut und führt meistens von ganz allein zu mehr Respekt. Direkt von Ohr zu Ohr ist der Ton fast immer ganz anders. Vorsichtiger, sensibler. Ich halte es für dringend notwendig, dass wir diesen Ton nicht verlieren oder wieder neu lernen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26746
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