SWR1 Begegnungen

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Professor Dr. Ulrich Duchrow ist evangelischer Theologe und lehrt seit Mitte der achtziger Jahre als außerplanmäßiger Professor für systematische Theologie an der Universität Heidelberg. Er ist  Mitbegründer von Kairos Europa, einem ökumenischen Netzwerk, das sich im Rahmen der kirchlichen Bewegung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung für gerechtere Wirtschaftsbeziehungen mit den Ländern des Südens einsetzt.
Mehr als sein halbes Leben lang beschäftigt sich der heute 82-Jährige mit dem Verhältnis von Kirche, Theologie und Ökonomie. In Deutschland  zählt er zu den renommiertesten Kritikern des globalen Kapitalismus. Eine entscheidende Erfahrung für ihn waren sogenannte Reiseseminare, die er zusammen mit Studierenden in die Länder des Südens unternahm, um nach den Ursachen von Armut, Hunger und Gewalt zu fragen.    

1973 war dann eines in Chile, Argentinien und Brasilien, Kissinger hatte mit Pinochet zusammen die Militärdiktatur in Chile eingerichtet, um zum ersten Mal Neoliberalismus 1 zu 1 umzusetzen.

Seit dieser Zeit hat ihn das Thema Geld, Markt und Wirtschaft nicht mehr losgelassen. Einen wichtigen Beitrag hat dabei für Duchrow  Karl Marx geleistet mit seiner Einsicht in den Mehrwert, den die Arbeit der Angestellten den Fabrikbesitzern einbringt.

Und diesen Profit immer weiter zu mehren ist Hauptziel Ziel der Produktion und keineswegs das Wohl der arbeitenden Menschen.

Es wird immer nur so viel investiert in die Menschen, die grade arbeiten, wie nötig ist, um dieses Mehr-Kapital zu schaffen.

Dieses kapitalistische Treiben ging so lange gut in Anführungszeichen, solange nicht nur die Menschen sich ausbeuten ließen, sondern auch die Erde, deren Ressourcen man sich quasi zum Nulltarif besorgte. Diese Zeit geht jetzt zu Ende, in einem endlichen System weiter unendlich Ressourcen zu verbrauchen, geht nicht, da ist sich Duchrow mit vielen anderen einig.

Jetzt macht inzwischen die Erde nicht mehr mit. Das wissen wir seit dem Club of Rome 1973, es müssten Grenzen des Wachstums sein, das geht aber nicht im kapitalistischen System, weil Kapital wachsen muss, muss die Wirtschaft wachsen, und daraus entsteht der Wachstumszwang.

Für Prof. Duchrow ist damit sozusagen wissenschaftlich klar, dass die Erde auf Dauer d i e s e  Art zu wirtschaften nicht erträgt.

Wir müssen ausgehen von der absolut klaren langfristigen Vorstellung, Kapitalismus wird enden oder die Erde endet.

Teil 2

Für Prof. Ulrich Duchrow ist klar, unsere Art zu wirtschaften zerstört die Erde und damit unsere Lebensgrundlagen. Die Alternative lautet dabei nicht etwa Kapitalismus oder Sozialismus, das seien nur feindliche Brüder in der gleichen Familie, wie er es formuliert. Das Verständnis von Eigentum sei das gleiche, egal ob es Privateigentum oder Staatseigentum ist.

Also Eigentum bedeutet, ich kann diese Sache gebrauchen, missbrauchen, verbrauchen, zerstören und alles, ich habe totale Verfügung.

Es gelte,neue Formen des Wirtschaftens zu finden Denn eigentlich hält die Erde genug von allem bereit, man muss es nur richtig organisieren und verteilen.

Das hat übrigens gute biblische Gründe, Levitikus 25,23, Psalm 24, die Erde ist Gottes, gehört Gott, und das was an Natur da ist, ist zur Nutzung da, und zwar nun obendrein im Falle von der Bibel, die Mannageschichte, ja. Die, die viel gesammelt hatten, hatten nicht zu viel, sondern genug, und die die wenig gesammelt hatten, hatten nicht zu wenig, sondern auch genug, Exodus 16.

Dem System Energie entziehen und dem Leben Nahrung geben, auf diese Formel bringt es der Theologe, und das heißt für ihn konkret lokal, regional, ökologisch arbeiten und produzieren und eine Wirtschaft  fördern, die allen nutzt und nicht nur wenigen.

Beispiel Wasser, ja, Wasser, war ja große Propaganda, Wasser zu privatisieren und alle Kommunen haben schreckliche Erfahrungen damit gemacht, und jetzt kaufen sie es zurück mit großen Verlusten, weil es ein Wahnsinn ist, Wasser zu privatisieren, Wasser, das überall da ist und was gemeinsam organisiert werden kann.

Und die Kirchen? Wo stehen sie in diesem Prozess oder wo sollten sie stehen,  frage ich  Duchrow. Auf protestantischer Seite gibt es  schon länger klare Worte, sagt er und überrascht mich. Da ist zum Beispiel das Accra-Bekenntnis des Reformierten Weltbundes von 2004.

Darin wird das imperiale kapitalistische System verworfen als Glaubensfrage,  das heißt, das kapitalistische imperiale Weltwirtschaftssystem ist auf der gleichen Kategorie behandelt worden wie Nationalsozialismus und Apartheid in Südafrika,  das gilt im reformierten Weltbund bis heute.

Es hat ein wenig gedauert, bis auch die katholische Kirche nachgezogen hat. Aber dann kam 2013 Papst Franziskus mit seiner Enzyklika „Laudato si“ und der unmissverständlichen Feststellung: Diese Wirtschaft tötet.

Diese Zusammenhänge werden an der kirchlichen Basis noch viel zu wenig gesehen und bearbeitet, darin bin ich mit Professor Duchrow einig, und Kirchenleitungen befördern diesen Prozess noch  zu wenig. Denn eigentlich hält diese Erde genug für alle bereit – wenn wir sie nicht vorher zerstören.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26552
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