Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Ich fahre in Tübingen viel mit dem Bus. Eine Fahrerin hat mich zuletzt ziemlich beeindruckt. Sie blinkte schon links, alle Türen waren zu. Ich war aber noch etliche Meter entfernt, habe zu laufen begonnen. Sie hat tatsächlich gewartet, wir haben uns freundlich gegrüßt. Dann ist noch ein junger Mann mit Down-Syndrom eingestiegen, Arbeitsklamotten, Ohrhörer. Offenbar kannten sich die beiden. Er ist neben der Fahrerkabine stehen geblieben und ich habe mitgehört, wie schön und schlicht und wie interessiert die Fahrerin sich mit dem Mann unterhalten hat. Obwohl er nicht viel mehr als „Ja“ gesagt hat. Schließlich gab’s auf der selben Fahrt - ein paar Haltestellen weiter - noch eine Szene. Eine Familie mit drei Kindern ist eingestiegen, so 5/6 Jahre werden die alt gewesen sein. Und die Busfahrerin ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, packte drei Lutscher aus und hat jedem einen geschenkt - mit dem kleinen Zusatz: „Ist für Ostern!“ 

Ostern feiern, bedeutet: An die Auferstehung von den Toten zu glauben. Aber genügt es davon zu sprechen, es zu wiederholen: an Ostern, bei unseren Begräbnissen, wenn ein Mensch im Sterben liegt, wenn wir sehen, wie dreckig es manchen Menschen auf unserem Planeten geht? Oder braucht es mehr? Etwas, das man sehen kann. Ein eindeutiges Zeichen. „Es ist noch keiner wieder gekommen.“ So sagen viele. Und für das Leben hier haben sie ja Recht. Aber das ist nicht alles, was man über den Tod sagen kann! Und es ist auch kein Argument gegen das neue Leben, auf das der Christenmensch hofft. 

Was die Busfahrerin getan hat, war nicht selbstverständlich. Sondern außergewöhnlich und schön. Aber für sie war’s normal. Sie versteht ihren Job so und offenbar ihr Mensch-Sein auch. Ich habe ihre kleinen Gesten jedenfalls als Zeichen der Auferstehung gesehen. Sie achtet auf die Menschen, die mit ihr fahren. Sie nimmt sich Zeit, obwohl der Fahrplan eng getaktet ist. Sie öffnet ihr Herz für den, der zu spät dran ist, der ein Handicap hat, für die Kleinen, die in Gedränge eines Gelenkbusses leicht übersehen werden. Darin steckt etwas, das Licht in unsere Welt bringt. Österliches Licht. Ein Strahl von Auferstehung mitten im Getümmel von Verkehr und Betrieb und Hektik. Ich glaube, dass Gott sich so seinen Weg bahnt. Das kann jeder versuchen. Aber viele tun’s nicht. Wer es schafft, so offen und frei zu sein wie die Busfahrerin, der setzt ein starkes Zeichen für die Auferstehung.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26320
weiterlesen...