Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Wir vermissen Sie“. Fast jede Woche bekomme ich eine E-Mail von Internethändlern mit diesem Satz in der Betreffzeile. Ich muss gestehen: Irgendwie spricht mich dieses „Wir vermissen Sie“ schon an. Es drückt so eine Verbundenheit aus, als ob denen wirklich etwas an mir liegt. Aber natürlich weiß ich: Das ist nur ein Werbetrick. Die Firmen kennen mich ja gar nicht. Sie vermissen nicht mich, sondern mein Geld.

Jesus hat einmal eine Geschichte erzählt, da wird jemand wirklich vermisst. Ein Vater vermisst seinen Sohn. Der Sohn ist schon erwachsen. Er hatte sich sein Erbe auszahlen lassen und ist weit weg in eine Großstadt gezogen. Vom Leben auf dem Land und von der harten Arbeit auf dem Bauernhof seines Vaters hatte er die Nase voll. Seitdem hat sein Vater nichts mehr von ihm gehört. Eines Morgens tritt der alte Landwirt vor sein Haus und lässt den Blick über die Weiden und Felder schweifen. Da entdeckt er ganz in der Ferne eine Person, die sich dem Hof nähert. Ein junger Landstreicher mit heruntergekommenen Klamotten, ungepflegten Haaren und langem Bart. Doch als der Landstreicher den Kopf hebt, erkennt der Vater: Das ist mein Sohn! Und er rennt los. Der alte, in Würde ergraute Mann rennt so schnell er kann den Feldweg hinunter. Es sieht lächerlich aus, aber das ist ihm egal. Der Sohn wagt den Vater fast nicht anzusehen, er redet etwas von „Es tut mir leid“ und „Kann ich bei dir Arbeit finden?“. Aber das hört der Vater gar nicht. Er nimmt seine Jungen in den Arm und küsst ihn. Inzwischen sind auch ein paar Knechte und Mägde dazugekommen. Der Vater dreht sich zu ihnen um und sagt: Lasst ein heißes Bad ein, besorgt den besten Anzug, den ihr finden könnt und holt den Ring mit dem Familienwappen. Heute Abend wird gefeiert, „denn mein Sohn war tot, und jetzt lebt er wieder; er war verloren, und jetzt ist er wiedergefunden“ (Lukas 15,24).

Da wird jemand wirklich vermisst in dieser Geschichte vom verlorenen Sohn. Jesus hat sie nicht einfach so erzählt. Er wollte damit zeigen wie Gott ist: So sehr wie der Vater seinen Sohn liebt, so sehr liebt Gott jeden Menschen. Er vermisst mich, wenn ich mich von ihm abwende und sehnt sich danach, mich in seine Arme zu schließen. Gott vermisst mich nicht nur dann, wenn ich es zu etwas gebracht habe oder Erfolge vorweisen kann. Wie der Sohn in der Geschichte kann ich zu ihm auch mit leeren Händen kommen und auch, wenn mein Leben nicht so gelaufen ist, wie ich mir das vorgestellt habe.
Gott vermisst nicht irgendetwas an mir, sondern wirklich mich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25356
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