SWR1 Begegnungen

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Dr. Manfred Grüter, der frisch gebackene neue Präsident des Landgerichts in Trier hat bis vor einem guten Jahr ein eher seltenes Ehrenamt in der katholischen Kirche ausgeübt. Er war Synodaler. Will heißen: Er hat als Ehrenamtler an der Trierer Diözesansynode teilgenommen und mitgearbeitet.

Eine solche Synode, also eine Versammlung von ausgewählten Gläubigen eines Bistums,  ist ein eher seltenes Ereignis in der katholischen Kirche. Der Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann hatte sie 2012 ausgerufen, um gemeinsam mit den Christinnen und Christen seines Bistums darüber nachzudenken, wie der Glaube unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts im Bistum Trier gelebt werden kann und soll. Manfred Grüter ist zufrieden mit dem Papier.

Ein wesentlicher Gedanke ist, dass Kirche als ein Miteinander, als eine gemeinsame Gestaltungsaufgabe von Gläubigen und Kirchenleitung, von ehrenamtlich Engagierten und hauptamtlich Tätigen gesehen wird.

Also die Abkehr vom hierarchischen Denken hin zu einem synodalen Miteinander.

Zum zweiten ist ganz entscheidend, dass man davon Abschied nimmt, dass der Pastor in der jeweiligen Pfarrei alles alle Fäden in der Hand halten kann, sondern dass man eben anerkennt, es gibt die verschiedensten Charismen, die verschiedensten Begabungen und es gibt auch verschiedene Schwerpunkte in den Pfarreien, und dass da wo Menschen diese Schwerpunkte leben, sie sich da auch einbringen sollen und da auch dann Leben entsteht, also weg von der Uniformität hin zur Orientierung auf das, was Menschen einbringen wollen und können.

Es sind in der Tat deutliche und richtige Perspektivwechsel, die die Synode vornimmt: Künftig soll - im Rahmen der kirchenrechtlichen Vorgaben - nicht mehr von der Struktur her, sondern vom einzelnen Menschen her gedacht werden, es soll zuerst auf die Charismen, also Talente und Begabungen, geschaut werden und nicht mehr auf die Aufgaben, also was zu tun ist, das Ganze soll synodal ablaufen, also, was alle angeht, darüber sollen auch alle mitreden, und last but not least, statt der zahlreichen herkömmlichen Pfarreien soll es größere Einheiten, dafür aber mehr Kooperation und Schwerpunksetzung geben. Vor allem Letzteres sorgt derzeit für Diskussionen im Bistum, denn die Zahl der Pfarreien soll sich etwa 35 plus minus einpendeln. Manfred Grüter findet die Debatte um Zahlen und Struktur schade:

Also ich glaube, dass diese Großpfarreien nur ein erster Schritt sind, aber das was inhaltlich geändert werden soll im liturgischen Bereich, im Bereich von Haltungen, Einstellungen, ---diese Dinge werden einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen  und die Menschen müssen auch in diese neue Haltung selbst hineinwachsen.

Teil 2

Dr. Manfred Grüter, der 57 Jahre alte Jurist war einer von 280 Engagierten, die im Rahmen der Trierer Diözesansynode nach zukunftsfähigen Wegen für die Trierer Kirche im 21. Jahrhundert gesucht haben. Doch der Trierer Landgerichtspräsident ist auch an der kirchlichen Basis aktiv und hat  sich zeitweise im Pfarrgemeinderat engagiert. Dann merkte er, dass das nicht das Richtige für ihn war, zu viel Sitzungskatholizismus:

Ich  hab dann angefangen im Kirchenchor zu singen und hab angefangen als Lektor zu arbeiten und als Kommunionspender und das ist für mich Teil der Verkündigung und das fand ich viel erfüllender ---ich gebe etwas, aber ich bekomme auch etwas in diesem Dienst.

Wer wie ich auch im Pfarrgemeinderat und als Lektor und Kommunionhelfer unterwegs war, der will an der Stelle natürlich wissen: Was ist denn das Erfüllende am Dienst als Lektor und Kommunionhelfer? Was bekommt man zurück?

Ich bekomme zurück, dass ein Text jemanden berührt hat, der ihn vielleicht bisher nicht berührt hat, durch die andre Art ihn zu lesen, ---ich bekomme etwas zurück wenn ich diesen Text lese, dann versuche ich ihm eine Gestalt zu geben, ich muss mich mit ihm auseinandersetzen, und das ist eine sehr erfüllende Erfahrung, weil man oft einen neuen Zugang zu dem Text findet.

Das kann ich noch nachvollziehen, diese Erfahrung habe ich auch gemacht. Überrascht bin ich aber darüber, was mir Manfred Grüter über das Austeilen der Kommunion erzählt:

Sie geben ja etwas sehr Kostbares, und an den Gesichtern der Menschen können Sie ganz faszinierend ablesen, wie wichtig ihnen das ist, und das Spannendste für mich ist, - die Hände, mit denen die Menschen die Kommunion entgegennehmen, jede Hand ist anders, da sind ganz abgearbeitete Hände, da sind ganz zarte Kinderhände, das sind so viele Hände, ja und jede Hand erzählt etwas vom Leben der Menschen,.. also für mich eine der erfüllendsten Tätigkeiten, die man überhaupt machen kann

Seine Antwort auf meine Frage, was für ihn wichtig ist im Glauben, wird zu einem für mich beeindruckenden Glaubensbekenntnis

Für mich steht im Mittelpunkt, ich bin von Gott geliebt, so wie ich bin und damit werde ich getragen und gehalten in jeder Lebenssituation und das bedeutet für mich vor allem: Ich muss nicht vollkommen sein, ich darf jederzeit neu anfangen, ganz  zentral ist für mich immer der Gedanke, allein Gott kann auf krummen Wegen grade gehen, und unsere Lebenswege sind immer krumm, wenn wir ehrlich sind, und er ist der einzige, der sie alle mitgehen kann, und das gibt mir die Fähigkeit und die Freiheit, furchtlos zu sein, und diese Freiheit von Angst ist für  ich zentrales Geschenk des Glaubens.

Die Begegnung mit Manfred Grüter hat mir wieder bestätigt: Christ sein ist mehr als Tradition, Dogmen und ewige Wahrheiten, Christ sein ist vor allem auch eine existentielle Haltung, eine Art zu leben und sich einzubringen – für den Anderen, den Nächsten, den Fernen, damit die Welt heil wird.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24992
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