SWR1 Begegnungen

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Harald GlööcklerPeter Annweiler trifft Harald Glööckler

Teil 1: verwurzelt im Gebet

Schrill, schwul und luxuriös - so zeigt sich der 52jährige Modeschöpfer und Künstler häufig: Ein Mann, an dem sich die Geister scheiden. Ich treffe den „Prince of Pompöös“ wie er sich nennt- in der Nähe seines gut geschützten Anwesens im kleinen Kirchheim an der Weinstraße und bin überrascht:  Hinter der üppig-barocken Erscheinung lerne ich einen nachdenklichen Mann kennen. Ganz offen spricht er über etwas, was für viele ein Tabu ist.

Ich finde es ganz wichtig, dass man ne normale Kommunikation und Kontakt mit Gott hat - wie zu anderen Menschen auch . Kein Mensch braucht einen Freund, der einen immer dann anruft, wenn er irgendwas braucht und immer das selbe erzählt. So ähnlich ist es ja oft mit dem Beten: Also, dass man nur betet, wenn man was braucht.

Der Designer sitzt mir gegenüber, wie ich ihn von Fernsehbildern kenne: Rabenschwarzer Bart, lackierte Fingernägel, opulente Ringe. Alles ist bis ins kleinste Detail inszeniert. Und trot dem ist Harald Glööckler auch nach innen hin orientiert.

Wenn ich im ständigen Umgang mit Gott oder der´Muttergottes bin, dann ist das eine ständige Kommunikation, die natürlich auch viel mehr bringt.

Ob das schon immer so für ihn war, frage ich ihn - und er verblüfft mich mit seiner Kenntnis von Gebeten aus der Bibel.

Da bin ich sehr dankbar, dass man sowas gelernt hat in der Kirche oder im Konfirmandenunterricht - eben das Vater Unser oder „Der Herr ist mein Hirte“ - das sind so schöne Gebete, die einem gut tun - und die man unter Umständen einfach mal so lange beten muss, bis einem besser geht.

Beten, bis es einem besser geht. Ein schöner Gedanke, finde ich. Aber etwas fremd ist mir, zu wem Harald Glööckler beten kann.

Wenn wir in eine bessere Schwingung kommen, in dem wir aus dieser Angst und Hoffnungslosigkeit rauskommen, indem wir ein Gespräch finden mit Engeln oder mit der Muttergottes oder mit Gott - und dadurch eine bessere Energie bekommen, dann ist ja schon mal geholfen. 

Hauptsache: Es hilft. Das glaube ich auch. Aber ich würde doch auch weiterfragen: wofür hilft es? Hilft es auf Dauer? Macht es wirklich frei? Das gehört für mich zum evangelischen Glauben dazu. Harald Glööckler hält sich damit nicht auf. Er hat kein Problem, sich in seinem Glauben so zu verhalten wie in seinem sonstigen Leben auch. Egal, ob er jemanden dabei vor den Kopf stößt oder provoziert.
Diese Art der Freiheit hat sich Harald Glööckler schon als Kind  genommen:

Und dann hab ich so - während der Predigt des Pfarrers, die ich manchmal doch ein bisschen anstrengend fand als Junge  dann die  Kirche ein bisschen umdekoriert in Gedanken. Ich hab gedacht: Da könnt man schon bisschen Gold, Goldene Bilder aufhängen: Goldene Rahmen mit Bildern, oder Spiegel oder Kronleuchter und so weiter.

Teil 2: paradiesisch im Reichtum beflügelt

Harald Glööckler polarisiert. Die einen mögen den Modedesigner und Künstler mit seinen dicken Lippen, dem schwarzen Bart und den vielen Ringen gar nicht. Die andern bewundern  gerade diese schrille, provokative Art .

Mich überrascht, wie stark Harald Glööckler neben seiner Leidenschaft für Schmuck und Pomp auch das Gebet sucht - und wie er in der Bibel verwurzelt ist. Für die deutsche Bibelgesellschaft etwa hat er einen „Schmuckschuber“ zur neuen Lutherübersetzung gestaltet - obwohl er mit der Person Martin Luthers gar nicht so viel anfangen kann:

Ich weiß nicht so richtig, ob ich ihn mag oder nicht. Aber er fasiziniet mich schon. Ich meine, er hat ja einen großen Rums verursacht - er hat ja vieles angestoßen und die Bibel den Menschen überhaupt zugänglich gemacht - aber die Medici Päpste wären mir damals schon näher gewesen... (lacht)

Also doch lieber Pomp und Prunk als allzu gewissenhafte Selbsterforschung? Die Liebe zur Bibel jedenfalls teilt er mit Luther.
Wie mit seiner Mode so möchte Harald Glööckler auch in seiner Bibelauslegung paradiesische Zustände zeigen. Die findet er besonders in der Bergpredigt, wo Jesus an das Urvertrauen der Vögel erinnert.

Dieser Gedanke: Sie säen nicht, sie ernten nicht - und der liebe Gott ernährt sie doch. Eben dass wir eigentlich im Paradies leben, dass die Natur eigentlich Paradies ist - und die Natur kennt keine Begrenzung - sondern die Begrenzung machen wir.

Manchmal brauche ich das auch: Dass mir jemand sagt, wie viel mir Gott im Grunde schenkt. Vielleicht hat Harald Glööckler das auch geholfen, seine schwierige Kindheit hinter sich zu lassen und zu dem bunten und reichen „Paradiesvogel“ zu werden, der er jetzt ist. Vielleicht ist sein Äußeres auch eine Art Protest gegen alle, die als die Anständigen daherkommen und einem nur das Leben schwer machen wollen. Die Moralapostel, die Reichen, die auf Kosten der Armen leben. Und das vielleicht noch als Gottes Willen ausgeben.  Er ist sich sicher,

dass Gott kein Interesse haben kann und hat, dass Menschen in Armut leben, sondern in Reichtum.  Dass sie in Armut leben sollen, wurde uns ... auch von Kirchenvätern und Päpsten clever erzählt. Das ist ganz gut, wenn man selber in Saus und Braus lebt.  Da ist es natürlich clever, wenn man denen sagt: Es ist gottgefällig in Armut zu leben.

Und darin bin ich mir mit Harald Glööckler einig: Armut ist nicht gottgewollt. Aber was heißt das im Blick darauf, dass er selber eigentlich zu den Reichen gehört?

Geld per se ist ja Energie - und Energie ist nichts Schlechtes. Die Frage ist, was ich damit mache. Ich kann ja aus allem etwas Gutes oder etwas Schlechtes machen. Aber Gott hat absolut nichts gegen Geld und auch nichts gegen Reichtum.

Geld und Gott kriegt Harald Glööckler leichter zusammen als ich. Mich beschäftigen da eher Fragen, wie mein Lebensstil zusammen geht mit dem Gott, der ganz eindeutig auf der Seite der Armen steht. Da würde ich gerne mal mit dem Modemacher in der Bibel blättern und diskutieren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24926
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