SWR4 Sonntagsgedanken

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Wovon lebt ein Mensch? Nicht vom Brot allein, sagt die Bibel. Aber doch jedenfalls auch vom Brot, also von Essen und Trinken. Und jeder Mensch braucht zum Leben auch andere Menschen, denen er vertrauen kann. Nur so kann das Leben sich regen und entfalten. Jesus hat das alles in das Bild des Brotes gefasst: „Unser täglich Brot gib uns heute“ hat er gebetet. Was wir zum Leben haben, ist eigentlich doch ein Geschenk. Ein Geschenk von Gott. Das meint dieses Bild.

Und Martin Luther hat später dazu erklärt, Brot sei alles, was man zum Leben braucht: also Essen, Trinken, Kleidung, Wohnung und ein Einkommen, von dem man leben kann. Aber genauso hat er dazu gezählt: eine gute Regierung, gutes Wetter, Friede, Gesundheit, gute Freunde und Nachbarn und anderes mehr. Wenn Menschen das nicht haben, hungern sie.

Hunger, Brot und Sattwerden, das taucht alles auch in einer Geschichte der Bibel auf, die ich Ihnen heute Morgen erzählen möchte. Reichlich dick trägt die auf. 5000 Menschen werden satt von fünf Broten und zwei Fischen und am Ende ist mehr übrig, als vorher da war (Joh 6, 1-13). Fast aus dem Nichts ist genug für alle da.

Am Anfang erzählt die Geschichte, dass Jesus in ein Boot steigt und über den See wegfährt. Und viele Menschen folgen ihm, 5000 sollen es gewesen sein. Die Leute laufen Jesus nach, weil sie mitbekommen haben, dass er Kranke geheilt hat. Weil wohl eine besondere Faszination von ihm ausgegangen sein muss. Erwarten sie wieder etwas Spektakuläres von ihm? Auf jeden Fall knurrt auch nach der schönsten Predigt irgendwann der Magen und Jesus fragt Philippus, einen seiner Jünger: „Wo kaufen wir Brot, damit die Leute zu essen haben?“

Und Philippus weiß auch gleich, dass das eigentlich nicht geht: „Das schaffen wir nicht. Zweihundert Silbergroschen bräuchten wir, unmöglich. Selbst wenn wir das Geld hätten, satt würde davon keiner. Und überhaupt, wo sollten wir hier draußen Brot kaufen können?“ So ist Philippus, skeptisch und ein Realist.

Diese Seite kenne ich von mir ja durchaus auch, wenn ich ehrlich bin. Wie soll das gehen, denke ich manchmal, wir haben doch viel zu wenig Mittel und Möglichkeiten? Das schaffen wir auf keinen Fall. Niemals. Das ist völlig hoffnungslos. Lasst uns die Sache abblasen, bevor es peinlich wird.

Was kann man denn schon tun gegen das Elend in der Welt? Und ich als Einzelner? Natürlich ist das ein Skandal, dass Menschen hungern wie gerade in Ostafrika und im Jemen und dass andere im Überfluss leben. Doch was kann ich schon daran ändern? Aber – ist das eine Lösung, diese Haltung?

Aber zum Glück ist da noch Andreas, ein anderer Jünger von Jesus. Der schaltet sich ein. Er hat wenigstens eine Idee: „Schaut mal, das Kind hier hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische.“ Andreas, das ist einer, der mit einem vorsichtigen Optimismus ausgestattet ist. Und der sagt ihm: Irgendwie müssen wir was versuchen. Auch wenn ihm sicher sonnenklar ist, dass davon die fünftausend Leute niemals satt werden können. Aber Nichtstun ist doch keine Lösung!

So denken wie dieser Andreas. Das kenne ich auch. Man kann sich doch nicht einfach zurücklehnen und die Dinge so laufen lassen. Wir Menschen haben doch Verantwortung füreinander und für die Verhältnisse, in denen wir leben. Wir müssen es doch wenigstens versuchen, etwas mehr Gerechtigkeit und Hoffnung in die Welt zu tragen. Auch wenn es schwer ist. Auch wenn ich oft mutlos bin. Wenigstens etwas versuchen, irgendwo anfangen: Das ist doch allemal besser, als die Hände in den Schoß zu legen und nichts zu tun. Lieber klein anfangen als gar nicht.

Und Jesus? Er nimmt das bisschen Brot, spricht das Dankgebet und verteilt es an die Leute, die dort sitzen. Genauso macht er es mit den Fischen. Und: Alle werden satt! Zum Schluss bittet Jesus, die Reste einzusammeln, damit nichts verdirbt. Da werden zwölf Körbe voll. Am Ende ist mehr übrig, als am Anfang da war.

Wie das gegangen ist, erzählt die Geschichte nicht. Ob sich das Brot verwandelt hat – oder die Menschen? Vielleicht hatten ja auch noch andere Leute was zu essen dabei. Das haben sie dann nicht für sich behalten, sondern ausgepackt und miteinander geteilt. Wenn man sich wirklich als Gemeinschaft versteht, ist so was ja durchaus möglich.

Für mich bringt diese Geschichte vieles durcheinander, was ich für selbstverständlich halte. Wenn ich bete: „Gib uns unser täglich Brot“ und dann mehr habe, als ich brauche – das lässt mich doch nicht unberührt. Sollte ich dann nicht auch teilen mit denen, die zu wenig haben?

Mich ermutigt diese Geschichte, großzügig zu sein. Man kann etwas tun gegen Armut und Hunger– man muss bloß anfangen! Die Geschichte von den 5000 hungrigen Menschen sagt mir: Das hat Sinn! Teilen macht Sinn. Es könnte für alle reichen – wie durch ein Wunder.

Ich wünsche Ihnen einen frohen Sonntag und eine gute Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24715
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