SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Glauben gibt es nicht ohne Zweifel. Leider. Dabei wäre das so leicht und schön, wenn man fest und sicher auf Gott vertrauen könnte, in jeder Situation. Wenn man keine Angst haben müsste vor der Zukunft. Wenn Schicksalsschläge einen nicht umwerfen würden. „Gott ist mein Licht und mein Heil“, heißt es in einem Gebet in der Bibel. „Wovor sollte ich mich fürchten?“ Wie schön, wenn ein Mensch so glauben kann.

Aber meine Lebenserfahrung sagt mir: Irgendwie kann der Zweifel jeden erwischen. Mir ist das vor einiger Zeit so ergangen. Da ist ein Verwandter von mir gestorben. Mit 36. Ganz plötzlich. Völlig unerwartet. Ehemann, Vater einer kleinen Tochter. Hat sich nach dem Sport nicht gut gefühlt und ist allein heimgegangen. Niemand war zuhause. Seine Frau hat ihn später tot gefunden. Mitten aus dem Leben gerissen. Ein geschätzter Kollege in seinem Geschäft, aktiv in der Kirchengemeinde seines Heimatorts. Und niemand konnte es verhindern, dass er einfach so starb. Viel zu früh. „Hätten wir doch gewusst, was passiert“ haben hinterher viele gesagt. „Hätten wir ihn doch nicht alleine nach Hause gehen lassen“.
Hält der Glaube das aus? Wie soll das noch gehen, auf Gott vertrauen, wenn so etwas Schlimmes passiert? Wenn es einem den Boden unter den Füßen wegzieht?

Mir ist damals der Petrus eingefallen, von dem die Bibel erzählt. Der Jünger von Jesus. Der musste auch mit Zweifeln fertig werden. Es wird erzählt, dass Jesus seine Jünger mit dem Boot losschickt. Sie sollen hinüberfahren über den See Genezareth. Und als sie weit draußen auf dem See sind und es schon mitten in der Nacht ist, kommt ein Sturm auf und sie geraten in Seenot. Da kriegen sie Angst. Warum ist Jesus jetzt nicht da? Jetzt, wo sie ihn am meisten brauchen würden?

Dann erzählt die Bibel, was die Jünger wohl später so berichtet haben: Auf einmal sehen sie, dass ihnen jemand entgegenkommt. Übers Wasser. Und mitten in ihrer Angst hören die Jünger eine Stimme: „Fürchtet Euch nicht, ich bin es, habt keine Angst.“ Es muss wohl die Stimme Jesu gewesen sein, die den Jüngern ihre Angst nimmt. So stelle ich mir das vor. Wenn Du eine vertraute Stimme hörst, dann wird die Angst kleiner.
Aber warum kommt er erst jetzt? Warum müssen die Freunde Jesu so lange aushalten? Darauf gibt es anscheinend keine Antwort. Aber auf einmal ist er da. Und sie merken: Er lässt uns nicht allein in unserer Angst und Not. Gott ist da, ganz nahe, auch in größter Angst. Auch, wenn die Zweifel kommen.

II.
Aber wie soll das gehen? Dass jemand übers Wasser geht, das kann doch nicht sein. Und ich kann das gut verstehen, dass man so einer Geschichte vielleicht nicht trauen will. Petrus ging es anscheinend auch so. Er war misstrauisch und wollte es genau wissen. „Wenn Du es wirklich bist“, ruft er in die Nacht und den Sturm hinein, „dann befiehl mir, übers Wasser zu Dir zu kommen.“

Und er hört Jesus rufen: „Komm!“ Da wagt es Petrus, steigt aus dem Boot und geht einen Schritt um den andern auf Jesus zu. Aber das ist riskant. Der Glaube ist immer ein Risiko. Keiner weiß, wie lange er einen trägt. Nach einigen Schritten begreift Petrus, welches Risiko er tatsächlich eingegangen ist. Unmöglich, dass das gehen kann. Die Wellen, der Sturm, es zieht ihm den Boden unter den Füßen weg und er sinkt ein. Das ist wie im Leben, wo man plötzlich den Halt verliert und spürt, wie stark der Sturm ist und wie stark der Tod. „Herr, rette mich“, schreit er noch. Da packt ihn Jesus bei der Hand und sagt zu ihm: „Warum hast du gezweifelt?“

Ja, warum zweifelt Petrus? Weil es menschlich ist. So verstehe ich diese Geschichte. Jesus sagt ja nicht zu Petrus, „was bist Du nur für ein Versager. Recht geschieht Dir, wenn Du untergehst“. Jesus gibt dem Petrus die Hand und hält ihn. Hält ihn fest, den Zweifler. Dass er nicht untergeht.

Mir sagt das: Ja, der Glaube, das Vertrauen auf Gott ist immer ein Wagnis. Keine Sicherheit. Man kann auch untergehen, gerade wenn man denkt, man müsste es doch selber schaffen. Dann muss ich mich auch nicht schämen, wenn mir angesichts des Todes das Vertrauen auf Gott verloren geht. Und wenn ich das Gefühl habe, dass nichts mich trägt.

Aber der Zweifel ist nicht das Ende. Das war auch damals bei Petrus so. Sein Glaube, sein Gottvertrauen wird klein draußen auf dem See, in den Wellen und im Sturm. Aber Petrus macht eine Erfahrung, die ich Ihnen und die ich auch mir selber wünsche, wenn uns der Zweifel packt. Gott hält mich auch wenn mir das Vertrauen ausgeht, gerade wenn es darauf ankommt. Das Vertrauen auf Gott ist ein Wagnis. Aber es ist ein Weg, auf dem ich gehen kann, auch wenn es manchmal nur ganz kleine Schritte sind. Und wenn ich es nicht weiter schaffe, dann kommt er mir entgegen. Ich wünsche Ihnen einen frohen Sonntag und eine gute Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23966
weiterlesen...