SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Die Asche hat nicht gehalten. Heute vor genau einer Woche bekam ich damit ein Kreuz auf die Stirn gezeichnet. Am Aschermittwoch. Ein nicht gerade fröhliches Zeichen nach den turbulenten Karnevalstagen. "Gedenke Mensch, dass Du Staub bist“, wird dabei gesagt. Kein leichter Satz. Wer läßt sich daran schon gern erinnern. Dass man wieder Staub wird. Ist aber so. Ob ich will oder nicht. Am Aschermittwoch kann ich dieser Frage nicht ausweichen. Sie begleitet mich durch die ganze Fastenzeit. Nicht, dass ich in diesen Wochen nur an meinen eigenen, irgendwann unausweichlichen Tod denke, sondern „bedenke, daß du Staub bist“ heisst für mich auch: lebe jetzt, verschiebt nichts auf später, nimm jeden Tag so wichtig, als wäre es der Letzte. Manche Ideen, Vorhaben existieren nur im Kopf, in meinen Gedanken und könnten schon längst in die Tat umgesetzt sein. Wie oft ist es mir schon passiert, dass ich mir vorgenommen hatte einen Kranken zu besuchen, es aber immer verschoben habe, bis es zu spät war. „Carpe diem“, „pflücke den Tag“, heisst es in einer Ode des römischen Dichters Horaz (Ode „An Leukonoë“ um 23 v.Chr.). Und das meint nicht nur ihn zu geniessen, sondern jeden Tag zu nutzen. Nichts auf den nächsten Tag zu verschieben.

Es gibt aber noch einen zweiten Vers, der an Aschermittwoch gesprochen werden kann. Ein Wort, das mich noch mehr herausfordert: "Kehr um und glaub' an das Evangelium." Das ist wie eine Überschrift über Wochen der Fastenzeit auf dem Weg zum Osterfest. Fasten heißt: Verzichten. Verzichten auf Überflüssiges: Dumme Sprüche, schnelle Antworten ohne Nachzudenken. Fasten, egal mit welchen Mitteln; heißt: Nüchtern-Werden im wahrsten Sinne des Wortes, die Sinne schärfen. Hellwachsein, für das was um mich herum passiert. Nichts ist nur schwarz und nichts ist nur weiß. Es gibt nicht die Flüchtlinge oder die Muslime oder die Politiker. Differenzieren, sich nicht von Stimmungen leiten lassen, nicht allem nachzuplappern ist Originalton Jesu:„Kehr um und glaub’ an das Evangelium.“ Das Aschenkreuz erinnert daran. Es erinnert mich an den, der differenzieren konnte. Es erinnert mich an den, für den es nicht die Menschen gab, Sondern ganz konkrete, einzelne. Es erinnert mich an den, der auch dem Schuldigsten immer noch eine Chance gab. An Jesus, den sie dafür aufs Kreuz gelegt haben. Daran denken, heißt fasten.

Das kleine Kreuz vom Aschermittwoch bleibt unsichtbar auf meiner Stirn.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23809
weiterlesen...