SWR4 Sonntagsgedanken

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Vierzig Tage sind lang. Vor allem, wenn man fastet und auf vieles verzichtet. Da kommt man manchmal schon an seine Grenzen, aber manchmal klärt sich da auch, was wichtig ist. Auch heute wissen das viele Menschen und fasten, gerade jetzt vor Ostern. Deshalb heißen diese Wochen ja Fastenzeit.

Jesus hat das auch so gemacht. Als er dann nach 40 Tagen Fasten so richtig ausgehungert war, da ist der Teufel zu ihm gekommen und hat ihn auf die Probe gestellt, erzählt die Bibel. Eine große Versuchung ist auf Jesus zugekommen.

Wie wäre es, wenn du diese Steine hier zu Brot verwandeln würdest, das war der verlockende Gedanke.
Steine zu Brot. Ein Wort, und das Problem wäre gelöst. Nicht nur Jesus selbst hätte etwas für sich zu essen gehabt. Nein, er hätte sogar allen Menschen etwas zu essen geben können. Die Versuchung packt also Jesus genau an dem Punkt, wo sein Herz geschlagen hat: Bei den armen Menschen hat ja sein Herz geschlagen, und immer wieder hat er sich dafür eingesetzt, dass die Armen genug haben.

Steine zu Brot. Tus doch einfach. Dann wird alles gut. Was soll man darauf erwidern? Was hätte Jesus darauf erwidern sollen? Steine zu Brot, das hört sich ja wirklich gut an. Man gibt den Leuten zu essen. Man gibt ihnen Arbeit und Brot. Das ist doch die Lösung. Gerade für die vielen Wahlkämpfer in diesem Jahr ist das eine verlockende Vorstellung. Steine zu Brot. Mehr Lohn, mehr Rente, weniger Steuern. Und alle sind zufrieden.

Der Teufel ist auch ein Populist, denke ich mir. Aber Jesus hat die verführerische Idee durchschaut und sich nicht durcheinanderbringen lassen.
„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von dem Wort, das aus dem Munde Gottes kommt.“ So hat er gesagt. Keine einfache Antwort, aber eine, die mich nachdenklich stimmt.

„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“ Wie wahr. Und eigentlich weiß das ja auch jeder. Brot allein, das reicht nicht, um glücklich zu sein. Brot allein, das macht ganz oft sogar unersättlich. Dann muss es immer mehr sein, immer besser, immer bequemer, immer schneller. Und die einen können sich immer mehr leisten, aber andere müssen dafür zu Hungerlöhnen arbeiten und für sie reicht es dann doch kaum für das tägliche Brot.

Brot und Wohlstand allein ist nicht genug. Menschen brauchen z.B. auch Anerkennung. Menschen brauchen das Gefühl, dass sie etwas Sinnvolles tun und ihre Arbeit belohnt wird. Das muss nicht immer Geld sein. Dank ist wichtig. Lob. Vielleicht zeigen auch eine Urkunde oder eine Ehrennadel: Wir wissen euer Engagement sehr zu schätzen.

Ich glaube, dass man damit viele Steine aus dem Weg räumen kann. Und hoffe, dass das am Ende zufriedener macht, als Steine in Brot zu verwandeln.

Teil 2

Aber wie der Teufel so ist: Die Versuchung lässt einfach nicht locker. Und so erzählt die Bibel weiter, wie sich Jesus in einer Art Traum plötzlich auf der höchsten Mauer des Tempels wiederfindet. Und dann ist da wieder diese verlockende Stimme, die ihm zuflüstert: „Lass dich fallen. Lass dich einfach in Gottes Arme fallen. „Denn Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten und dich auf Händen tragen.““

Ich liebe diesen Satz. Viele, viele Eltern lieben diesen Satz und suchen ihn für ihre Kinder als Taufspruch aus. Von Gottes Boten behütet sein, also „von guten Mächten wunderbar geborgen“, diese Vorstellung tut mir jedenfalls sehr, sehr gut.
Aber es gibt auch Situationen, wo ich aufpassen muss mit diesen wunderschönen Sätzen.

Denn es kann auch der Teufel dahinter stecken. Ein frommer Spruch, ein Zitat aus der Bibel – klingt wunderbar, und doch, manchmal hat das mit Gottvertrauen gar nichts zu tun.
Genau das hat Jesus wohl erkannt und hat sich nicht von der Tempelmauer in die Tiefe gestürzt. Weil man Gott nicht herausfordern soll, hat er es nicht getan. Weil man das Schicksal nicht herausfordern soll. Aber wie oft geschieht genau das: Da zögert man die nächste Vorsorgeuntersuchung Monat um Monat hinaus, weil: „Ich wills gar nicht so genau wissen.“

Oder einer setzt seine Ehe aufs Spiel. Aus Bequemlichkeit. Oder aus Abenteuerlust. Oder mit zu viel Arbeit. Und ist dann ganz überrascht, wenn der Ehepartner sagt: „So geht das nicht weiter, das lasse ich mir nicht gefallen.“ Und wenn dann was passiert, dann heißt es oft: „Wie konnte das nur geschehen?“
Nein, man kann die Verantwortung nicht abgeben und es anderen in die Schuhe schieben, wenn etwas schief geht. Auch Gott nicht. So verstehe ich jedenfalls, wenn Jesus dem Teufel entgegenhält: „Du sollst deinen Gott nicht versuchen.“ Vertrauen kannst du ihm und dich ganz auf seinen Beistand verlasse, aber ihn auf die Probe stellen? Das geht schief!

So hat Jesus auch diese Versuchung abgewehrt. Voller Gottvertrauen. Solches Gottvertrauen, das wächst vielleicht nochmal ganz neu, wenn man sich wie Jesus eine Zeit zurückzieht, nachdenkt, fastet. Die sechs Wochen bis Ostern, die ab heute vor uns liegen, sind sicher auch eine gute Gelegenheit, um etwas mehr inne zu halten und für sich zu klären, worauf es ankommt. Ich wünsche Ihnen jedenfalls eine gesegnete Passions- und Fastenzeit und heute einen guten Sonntag. Bleiben Sie behütet!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23806
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