SWR1 Begegnungen

SWR1 Begegnungen

Teil I:

Die Mitglieder seiner Gemeinde werden diese Sendung nie hören können. Der 1959 In Bad Godesberg geborene und in Oberwinter am Rhein aufgewachsene Pfarrer Ralf Schmitz ist Mitgründer
und Leiter der Gehörlosengemeinde in Trier. Den Beginn der Hinwendung zu dieser besonderen Form der Seelsorge schildert er undramatisch.

Da gibt es leider keine spannende Berufungsgeschichte. Irgendwann saß der
Personalchef mal auf meinem Sofa und hat gefragt:“ Können Sie sich vorstellen in die Behindertenseelsorge zu gehen“? Ich hatte damals Erfahrungen aus einer Körperbehindertenschule in Trier. Ja und hab dann eine Zeitlang in Kanada ein Praktikum machen können in einer Archegemeinschaft und hab dann gedacht: Ja ich kann mir das vorstellen.

Die Zeit in der kanadischen Arche Daybreak in Toronto war für ihn prägend. Die von Jean Manier gegründete Archen, die es auch in Frankreich, Belgien und den USA gibt, sind Lebensgemeinschaften von Menschen mit und ohne Behinderung. Das hat auch seine heutige Einstellung zur seiner Gemeinde beeinflusst, wobei „gehörlos“ für Pfarrer Schmitz eigentlich nicht der passende Ausdruck ist.

Gehörlosengemeinde betont das Defizit, da gibts einen Hörverlust, einen Hörschaden wie einige auch sagen. Das Charakteristikum ist aber eigentlich eine Begabung. ist diese eigene Sprache, diese visuelle Sprache und deshalb würde man heute, wenn man sie nochmal gründen würde, sicher sagen Gebärdensprachliche Gemeinde. Weil aus der Sprache heraus entsteht eine eigene Kultur, Kultur ist die Voraussetzung für Spiritualität, von daher ist eigentlich die Sprache der Ausgangspunkt und weniger ein Defizit.

Pfarrer Schmitz und seine Gemeindereferentin sind die einzigen in der Gemeinde, die zwar die Gebärdensprache beherrschen aber nicht gehörlos sind. Die Begegnung mit einem kanadischen Jesuiten war für ihn wichtig diesen Unterschied positiv für sich klar zu haben.

Dieser Jesuit hat auf einem Indianerreservat gelebt und er hat gesagt, ich bin der einzige der nicht zu dieser Kultur gehört und der aber gleichzeitig dieser Kultur dienen soll. Das betrifft mich genauso, also wenn ich jetzt an die Gehörlosengemeinde denke,  ich gehöre nicht zu der Kultur aber ich soll dieser Kultur irgendwie hilfreich sein. Das heißt am Anfang steht eigentlich eine gewisse Bescheidenheit und Demut. Ich bin nicht der Bestimmer, ich teile die Lebenserfahrung der Leute nicht, sondern ich muss ganz vorsichtig Annäherungen versuchen. ich kann immer wieder nur Dinge anbieten, Themen anbieten, Sehweisen anbieten und muss immer wieder damit rechnen, dass die Betroffenen sagen: ja, wir setzen unser Leben aber anders zusammen. 

Wie sich dieses Gemeindeleben organisiert und was Pfarrer Schmitz Papst Franziskus raten würde, dazu mehr nach dem nächsten Titel.

Teil II:

Ralf Schmitz ist Pfarrer in der gehörlosen oder besser gebärdensprachlichen Gemeinde im Bistum Trier. In drei Bezirken um Koblenz, Trier und Saarbrücken herum organisiert, gibt es dort Gehörlosenschulen und gehörlose Sozialdienste, wirken gebärdensprachliche Dolmetscher und sind katholische Gehörlosenvereine aktiv. Teilweise sind diese schon weit über 100 Jahre alt. Gehörlosenseelsorge gibt es in verschiedenen Formen in Deutschland, in Trier führte sie im Jahr 2000 zur Gründung einer eigenen Personalpfarrei. Die Zeit von Ralf Schmitz in der Arche in Toronto hat zu bleibenden Kontakten geführt, gegenseitige Besuche gibt es bis heute und immer wieder Begegnungen mit besonderen Menschen.

Ich hab damals, als ich in Kanada war eine Ordensschwester kennengelernt, die jetzt ein oder zweiundachtzig Jahre alt ist, voll taub, voll taub geboren, hat studiert, ist Ordensschwester geworden und die hat einen Blick natürlich als selbst Betroffene, einen Blick auf die Möglichkeiten, die Grenzen, die besonderen Herausforderungen dieser Kultur. Also wenn ich könnte die würd ich sofort importieren.

Das wird wohl leider nicht gehen, aber die Verbindung bleibt und wird gepflegt. Es gibt immer wieder Menschen, die den 1987 zum Priester geweihten Pfarrer begeistern und inspirieren. Einer ist jemand, der auch mich durch seine Art immer wieder neu motiviert: Papst Franziskus.

Seine Wahl fiel auf den Tag des ersten Jahrgedächtnisses meines Vaters…am 13.März und dieser Abend ist mir unvergesslich. Ich bin mit einer gehörlosen Frau zusammen im Auto gefahren, es hat furchtbar geregnet ….und ich musste mit einer Hand am Lenkrad mit der anderen Hand erklären was ich gerade im Radio höre. Das war was ganz Besonderes und dieser Moment der war prägend.

Und nicht nur damals sondern auch heute.

Was mir da am Meisten gefällt ist einfach zu sagen das Leben hat seine eigene Würde und seine eigene Bedeutung und irgendwie muss man das Leben mit dem Recht, mit dem verfassten Glauben in Begegnung bringen und das in der Gegenwart Gottes tun und da muss man irgendwie seine Gewissensentscheidungen treffen und vorangehen. Das fasziniert mich wirklich am Papst Franziskus.

Hätte er die Möglichkeit den Papst direkt zu treffen dann mit einer  klaren Botschaft für ihn.

Als erstes würde ich ihm sagen: sollte Ihnen der Gedanke eines Rücktritts kommen, verwerfen Sie ihn! Bleiben Sie mal solange Ihr Vorgänger noch lebt, ich glaub das wär eigentlich das Wichtigste.

Und noch etwas findet Pfarrer Schmitz bemerkenswert an Papst Franziskus.

Was mich …fasziniert, dass er anscheinend überhaupt keine Angst hat. Das der einfach seinen Weg geht, damit leben kann, dass in Rom irgendwelche Plakate angeklebt werden, die ihn lächerlich machen, das reizt den eher zum Schmunzeln…ja ich hoffe, dass er uns noch einige Jahre erhalten bleibt.

 Und das hoffe ich auch.

 Foto: Marcus Stölb

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23802
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