SWR2 Wort zum Tag

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Schnee und Kälte gehören zum Winter. Das ist nicht überall so. Vor zehn Tagen erst war ich an der Südostspitze der arabischen Halbinsel, im Oman, unterwegs. Karge Wüstengebirge und lebensfeindliche Sandwüsten machen einen großen Teil des Landes aus, zugleich gibt es zahlreiche Oasen und Quellen, die durch ausgeklügelte Bewässerungssysteme für die Existenzgrundlage von Menschen und Tieren sorgen. Dieses Kanalsystem haben bereits die Perser im 6.Jh.v.Christus im Land angelegt. Es wird bis heute verwendet und sorgfältig gepflegt.

Der Wasser-Wächter des Dorfes, der die Zuleitungen zu den einzelnen Gärten und Plantagen mit einer Sonnenuhr regelt, genießt großes Vertrauen und höchste Anerkennung. Wo das Wasser aus dem Berg fließt und ans Tageslicht tritt, steht oft eine Moschee in der Nähe. Denn das Wasser ist ein Gottesgeschenk, es ist eine lebensspendende Kraft.

Davon weiß auch der Schöpfungsbericht der Bibel. Er erzählt, dass die Erde dem Ur-Ozean als eigener Lebensraum abgerungen wird. Ein anderer Erzählstrang beschreibt einen Garten Eden, der durch Ströme bewässert und mit Leben erfüllt ist. (1. Mose 1-2)

Wasser ist ein kostbares Gut. Die Bibel berichtet auch vom Kampf und von der Auseinandersetzung um Wasser, um das Recht über die Brunnen im Land (z.B. 2. Mose 2,16). Aber ebenso galt: Die Gastfreundschaft gebietet, das Wasser mit dem Gast zu teilen. In der Spruchsammlung der Bibel heißt es: „Hungert dein Feind, so speise ihn mit Brot, dürstet ihn, so tränke ihn mit Wasser.“ (Spr 25,21).

Das Verteilsystem für das Wasser ist im Oman und anderen Ländern des Mittleren Ostens über Jahrhunderte erprobt. Dadurch wird das wichtigste Lebens-Mittel, das Wasser, geteilt. Die Voraussetzung dafür ist: Jemand muss sich darum kümmern. Das sagt sich leichter, als es ist. Denn es ist eine mühevolle Arbeit, die Tunnel in den Felsen zu schlagen und die Kanäle sauber zu halten. Der Wasser-Wächter darf nicht nur auf seinen Anteil achten, sondern muss das gesamte System im Blick haben. Ich habe im Oman gelernt: Wer das Wasser hütet, trägt dazu bei, dass das Zusammenleben funktioniert, indem er für das Ganze sorgt, nicht nur für sich selbst. Er hilft, das zu teilen und zu verteilen, was Menschen am Allernötigsten brauchen.

Dass jeder das hat, was er zum Leben braucht, und nicht darum kämpfen muss, ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Menschen in Frieden zusammenleben können. Darum muss man sich kümmern. Dafür braucht es Menschen, die so sind wie die Wasser-Wächter, die das Ganze im Blick haben, damit es allen gut geht. Dort, hier, überall auf der Welt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23516
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