SWR1 Begegnungen

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Peter Annweiler trifft Detlev BesierDetlev Besier

... gegründet in der Weihnacht

Lange war er Gemeindepfarrer in der Westpfalz, ganz nah dran an der amerikanischen Airbase Ramstein. Die hat ihn angestachelt, sich für Gewaltfreiheit zu engagieren. Seit Sommer letzten Jahres ist der 57jährige „Friedenspfarrer“ in der Pfalz. 

Ich könnte gar net ohne den Friedensgedanken durch die Welt marschieren - das ist so ne Energiequelle für mich. Die schiebt mich einfach nach vorne - und das ist nen totale Leidenschaft. 

Über meine eigene Leidenschaft für den Frieden erschrecke ich manchmal in diesen Tagen. Merke, wie ich die Bilder aus Aleppo wegschiebe, weil ich sie kaum aushalten kann. - So dringend wie dieses Jahr habe ich die Botschaft vom weihnachtlichen Frieden noch nie gebraucht. Detlev Besiers Überzeugung hilft mir, sie wieder zu finden.

Pazifismus ist eine Lebenseinstellung. Von daher glaube ich, ist es auch nichts Idealistisches, ist es auch nichts Utopisches, es ist ein möglicher Weg, heute zu leben, auch im Zeitalter von IS oder im Zeitalter von Boko Haram.

Denn die Botschaft vom Frieden, wie wir sie an Weihnachten gehört haben, ist ja auch nicht nur eine Idee oder Utopie. Dieser Friede ist auch nicht nur ein Waffenstillstand zwischen waffen-strotzenden Gegnern.  Auch wenn manche meinen, Frieden sei nur mit immer mehr Waffen zu schaffen: ich glaube das nicht.

Nach dem zweiten Weltkrieg sagten die Kirchen: „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein!“ Wenn ich an die Kinder  denke, deren Zukunft gerade in den Trümmern Aleppos verspielt wird, leuchtet mir dieser Satz immer mehr ein. Aber was kann dieser Appell zur Gewaltlosigkeit ausrichten in der heutigen Weltlage?  Für Detlev Besier ist Weihnachten eine Chance, wieder neu friedens-bewegt zu werden:

Dazu nutze ich dann auch mal gerade  diese Tage um etwas Kritisches zu sagen, um diesem kleinen Pflänzchen etwas mehr Gehör zu verschaffen. Ich tu dann das net, um andern auf die Füße zu treten, sondern einfach um auch diese andere Nuance vom nicht süßlichem Frieden, sondern schweißtreibendem, hart erarbeitetem Frieden ins Blickfeld zu rücken.

Frieden fällt nicht vom Himmel. Er ist eine „schweißtreibende Arbeit“.
Detlev Besier kann „schweißtreibend“ anpacken - und um das tun zu können, braucht er die Botschaft der Weihnachtsgeschichte. 

Die Worte, die Buchstaben - die kennen wir - aber ich glaube, wir haben unendlich Angst davor. Unendlich Angst, dass es plötzlich alles friedlich geht - und um dieser Angst so ein Stückchen zu begegnen, ist so ein süßlicher Überbau drübergestülpt worden, um so dieses Entscheidende net zu sehen, dass letztlich diese  Krippe  wir selber sind, in die dieser Frieden reingelegt wird.

... verwurzelt in der Westpfalz

Detlev Besier, der pfälzische Friedenspfarrer,  lebt in Kaiserslautern. Da ist es nicht weit, zur Airbase Ramstein. Die hat den Vater zweier erwachsener Kinder zum Pazifisten gemacht.

Wir sind zwar in unserer Region irgendwo scheinbar wirtschaftlich abhängig von der Air Base, aber es wird Krieg in die Welt transportiert und unzähliges Leid geht von dieser Base aus.

Denn Ramstein - das ist die Drehscheibe weltweit für militärisches Agieren. Ob Drohnenkrieg oder konventioneller Bombenabwurf - all das wird von deutschem Boden aus gestartet. Das wird wohl auch unter dem neuen Präsidenten Donald Trump so bleiben.

Wir müssen da einfach überlegen, ob wir von unserer Westpfalz aus da so ein kriegerisches Gehabe einfach unterstützen wollen und ob das eigentlich so sinnvoll ist, dass  in der Welt, in Syrien, oder in Irak,  Afghanistan, oder Somalia - wenn da die Leute „Ramstein“ hören, sie Angst haben. Und wenn sie herkommen, sehen: Das ist eigentlich eine Landschaft, die man lieb haben muss. Aber sie haben Angst, weil von hier aus Krieg ausgeht.

Ein schöner Gedanke, finde ich: Die Liebe zur Heimat als Grundlage des Friedens. Wenn man seinen Lebensraum schätzt, dann kann man eigentlich nicht zulassen, dass von ihm Krieg ausgeht. Deshalb hat Detlev Besier im Rahmen der Friedensinitiative Westpfalz dort auch monatliche Friedensgebete organisiert. Die verändern die Welt zwar nicht von Grund auf. Aber sie sind ein wichtiges Zeichen dafür, dass es eine andere Sprache als die von Gewalt gibt.  Und sie sind wichtig, wenn Minderheiten sich der eigenen Wurzeln vergewissern. - Das kennt Detlev Besier aus seinem eigenen Familienerbe. Schließlich trägt der Pfälzer einen ursprünglich französischen Namen, der auf die verfolgten Evangelischen zurückgeht:

Dieses Hugenottische: ich bemüh mich immer wieder, auch so hugenottische Geschichte mir präsent zu halten, um da diese Wurzeln nicht zu verlieren und daraus meinem Pazifismus auf die Sprünge zu helfen.

Die Hugenotten waren zwar nicht immer Pazifisten - aber sie waren sich bewusst, wie wichtig es ist, die eigenen Wurzeln nicht aufzugeben. Und genau das hilft auch Detlev Besier, in dieser kurzatmigen und aufgeregten Zeit, einen langen Atem zu bewahren, der Gottes Friedensbilder weiter trägt.

Dazu passt auch dieser ur,ur-alte klassische Bibeltext, Schwerter zu Pflugscharen zu machen:  Wer für den Frieden arbeitet, der braucht unendlich viel Schweiß, der braucht unendlich viel Energie  und Geduld.

Es ist net so einfach, wenn man mal einem Schmied an der Esse zuschaut: Was da an Hitze und Kraft aufgewendet werden muss, um was umzuschmieden - da braucht man lange, lange Zeit.

Wie wichtig, wenn Weihnachten dazu hilft, auch nach den Feiertagen Energie und Geduld nicht zu verlieren. Die Geduld und die Energie, die wir brauchen, um nicht den Trümmern von Aleppo oder einem Anschlag in Berlin das letzte Wort zu lassen.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23430
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