SWR1 Begegnungen

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Teil 1 

Christoph Bals ist politischer Geschäftsführer von Germanwatch. Germanwatch ist eine unabhängige Entwicklungs- und Umweltorganisation, die nach der deutschen Widervereinigung  gegründet wurde, um die künftige Rolle Deutschlands in der Welt kritisch zu beobachten und zu begleiten, daher auch der Name Germanwatch.   

Daraus haben sich im Laufe der Zeit drei große
Schwerpunktthemen herauskristallisiert, einerseits die Frage Energiepolitik und der globale Klimawandel, zum zweiten Landwirtschaftspolitik und das Recht auf Nahrung sowie die ökologischen Probleme im Zusammenhang mit Ernährung und Landwirtschaft, und drittens das Thema Unternehmen und Menschenrechte.
 

Christoph Bals hat Theologie, Volkswirtschaft und Soziologie studiert. Bei Germanwatch ist der heute 56-Jährige seit den Gründungstagen vor 25 Jahren dabei – auch als Beobachter und Teilnehmer der großen Klimagipfel dieser Zeit. War er da nicht oft der schieren Verzweiflung nahe, frage ich ihn – mir selbst ging es jedenfalls immer wieder so, wenn es nicht voran ging mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit. 

Also ich neige nicht von der Haltung und von der Mentalität her zum Verzweifeln, natürlich gabs immer wieder massive Rückschläge und Enttäuschungen, aber in der Politik ist es ähnlich wie in der Natur, Mist eignet sich meistens dazu, um konstruktive Entwicklung in der Zukunft da drauf aufzubauen, damit zu düngen. 

Auch wenn es keineswegs ausgemacht ist, dass die Welt es schafft, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu drosseln, es ist doch einiges erreicht worden, sagt Bals. 

Wir haben jetzt seit zwei Jahren, obwohl es keine globale Wirtschaftskrise gibt, zum ersten Mal, dass die Emissionen global nicht mehr steigen, wir haben seit  2012 bis 13 angefangen, dass jedes Jahr im Strombereich in der Welt mehr Geld in erneuerbare Energien investiert wurde als in Kohle, Öl, Gas und Kernkraft zusammengenommen - auf der anderen Seite sehen wir eben, dass natürlich viele, die Interessen der Vergangenheit vertreten, die in fossile Energien investiert haben zum Beispiel oder in Maschinen, Instrumente, die mit fossilen Energien betrieben werden, dass die auch sehen, jetzt geht’s wirklich ums Eingemachte

Jetzt gehe es darum, dass die Industrieländer möglichst schnell aus Kohle, Öl, Gas und Kernkraft aussteigen und die Schwellen-  und Entwicklungsländer den Umweg der fossilen Energien erst gar nicht gehen, gibt der Experte die strategische Losung vor. Dass das kein Selbstläufer ist, sondern massiver politischer Rahmensetzungen bedarf, ist für den Realisten Bals keine Frage. Was den Theologen Bals bewegt und wie er die Papst-Enzyklika „Laudato si“ bewertet, dazu mehr nach dem nächsten Titel. 

 Teil 2 

Und mit Christoph Bals. Den Theologen und politischen Geschäftsführer der Bonner Nichtregierungsorganisation Germanwatch bewegt nicht nur die Bewahrung der Schöpfung. Sein kritischer Blick zielt auch auf die Bedeutung von Religionen für eine Gesellschaft. Religionen sind ambivalent, sagt er, wichtig sei, dass sie Aufklärung, Menschenrechte und den säkularen Staat akzeptieren  

und wenn man die Menschenrechte als Grundlage, sowohl die individuellen als auch die sozialen Menschenrechte als Grundlage des Zusammenlebens akzeptiert, eben auch das Zusammenleben von verschiedenen Religionen, wenn das passiert, dann können Religionen heute ein sehr konstruktiver Akteur in der Gesellschaft sein, wo ihre Sinnressourcen durchaus zur Lösung der Probleme beitragen können.

Einer, der das begriffen hat, ist für ihn Papst Franziskus mit seiner Umwelt- und Sozialenzyklika Laudato si.

Diese Enzyklika von Papst Franziskus ist tatsächlich ein sehr gelungener Versuch  in diese Richtung hin, gelungen, weil die Enzyklika auf der einen Seite klar stellt, die Autonomie der Wissenschaften, die Autonomie des Staates klar akzeptiert, dass sie auf der Basis der Menschenrechte argumentiert, dass sie dann aber versucht, das eigene Potential von der Religion mit ins Spiel zu bringen  - sehr ungewöhnlich für die katholische Kirche ein so nicht vereinnahmender Dialog, wo Katholizität von einer universalen Berufung für die Menschheit und nicht als ein konfessioneller Kampfbegriff gedacht wird 

Der Papst sei auch wissenschaftlich auf der Höhe der Zeit und argumentiere auf der Basis von Quanten- und Relativitätstheorie sowie Evolutionslehre. 

und er sagt, auf der einen Seite haben wir den gleichen Ursprung, auf der anderen Seite haben wir mit den Tieren und sogar den Pflanzen einen zu großen Teilen übereinstimmenden Gensatz und drittens haben wir die gleiche Bedrohungssituation im Moment vor uns, das heißt, dass dieses neue Paradigma der universalen Geschwisterlichkeit mit einem sehr starken wissenschaftlichen Begründung untermauert und… damit kann dann so ne Enzyklika auch ernstzunehmende Gesprächsangebot an eine säkulare Welt sein, nicht nur an andere Religionen.    

Als nüchternen Analysten, politischen Langestreckenläufer und kritischen Theologen habe ich Christoph Bals bei unserer Begegnung erlebt. Umso bemerkenswerter ist seine Begeisterung, wenn er von Laudato si spricht

 also das ist wirklich ein großer Wurf, wo ich zum ersten Mal seit langer Zeit von der christlich-kirchlichen Seite gesehen hab, hier kreist man nicht nur um sich selber und erschöpft sich in theologischen Debatten, die für die Außenwelt bestenfalls als kurios erscheinen, sondern versucht wirklich der Welt was zu sagen zu haben. 

In anderen Teilen der Welt, etwa in Lateinamerika, aber auch in Wissenschaftskreisen, finde die Enzyklika mehr Beachtung als hierzulande, hat er beobachtet. Das nehme ich auch so wahr: Da ist noch viel Luft nach oben, gerade auch in meiner, der katholischen Kirche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23279
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