Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Alles was Spaß macht ist entweder unmoralisch oder macht dick!“ ein cooler Spruch aus meiner Jugendzeit. Er versucht, auf humorvolle Art, christliche Moral lächerlich zu machen, lustfeindlich und körperfeindlich. Gottseidank bin ich trotz christlicher Erziehung weder ein Hungerhaken noch eine Spaßbremse geworden. Gut und kultiviert essen und trinken finde ich schön. Dabei das richtige Maß zu halten ist nicht immer einfach. Es passiert schnell, in das eine oder das andere Extrem zu rutschen. Zu viel oder zu wenig. Das wusste schon der griechische Philosoph Aristoteles und hat deswegen die „rechte Mitte“ das „Maß halten“ zur Tugend erklärt. Wir sprechen heute ungern von Tugenden einerseits und Sünden andererseits. Aber ich finde die christliche Tugend der „Mäßigung“ auch als „Besonnenheit“ bezeichnet, kann nach wie vor ein hervorragender Spiegel sein, um über mein eigenes Leben nachzudenken.
Ich habe dabei sehr unterschiedliche Figuren aus einer Barockkirche vor Augen die als Gipsstatuen Tugenden und Sünden verkörpern. Die „Mäßigung“ steht der „Völlerei“ gegenüber. Zwei sehr unterschiedliche Typen: Der eine hager und drahtig wie ein Marathonläufer, der andere kugelrund und übergewichtig. Wir sprechen heute nicht mehr von Völlerei. Das Wort ist altmodisch. Aber das Ergebnis von zu viel Essen kennen wir: Übergewicht. Und wir wissen heute auch, dass es ungesund ist. Übergewicht kann Auslöser für körperliche Beschwerden sein und krank machen. Übertrieben schlank sein zu wollen ist aber auch nicht besser. Ärzte sagen, die Lebenserwartung sinkt bei beidem deutlich. Das richtige Maß beim Essen muss also nicht erst von einer moralischen Instanz als Sünde bezeichnet werden. Unser Körper reagiert früher oder später ganz automatisch auf zu viel oder zu wenig.
Was beim Essen und Trinken offensichtlich gut ist, nämlich Maß halten, fällt in anderen Lebensbereichen oft schwerer. Sonst müsste nicht immer wieder bei Konflikten zur Mäßigung aufgerufen werden. Konfliktparteien sollten Maß halten, zum Beispiel auf Gewalt verzichten. Leider gibt es aus meiner Sicht noch viel zu oft am Schluss nur Sieger und Verlierer. Besser ist: berechtigte Bedürfnisse und unterschiedliche Interessen benennen und dann gemeinsam abwägen, was für alle Beteiligten am vernünftigsten ist.
Die christliche Tugend der „Mäßigung“ wird in der Barockkirche dargestellt, wie sie Wein mit Wasser mischt und dabei das richtige Maß treffen muss.
Mein Trinkspruch lautet deshalb: „Wasser macht weise, fröhlich der Wein, drum trink ich beides um beides zu sein!“ – Prost!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22516
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