SWR1 Begegnungen

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„Habe beim Laufen das Beten gelernt!“

Foto: Boris Rostami

Ich besuche Frank Hofmann, der von sich sagt, er hat habe beim
Laufen „das Beten gelernt“. Der 54-jährige ist Chefredakteur des ökumenischen Vereins „andere Zeiten“ und lebt in Hamburg
zusammen mit Frau und Tochter. Fast jeden Tag zieht er joggend
seine Runden. Frank Hofmann „läuft spirituell“, wie er mir sagt,
Was muss ich mir darunter vorstellen?

Ich glaube, der Sport und insbesondere der Ausdauersport, uns
in einen Zustand versetzt, wo wir leichter Transzendenz-Erfahrungen machen können, also Erfahrungen, die wir im Alltag nicht machen
können.
Viele gläubige Christen, die jeden Sonntag in die Kirche gehen,
kennen dieses Gefühl, wenn man in ein solches Gebäude kommt, wenn die entsprechende geistliche Musik einsetzt, dann ist man in einem anderen Zustand.

Dass Ausdauersport den Läufer ab einer gewissen Zeit in Trance verssetzt, ist nichts Neues. Dass dieses Gefühl des „Abgehoben seins“ auch religiös gedeutet werden kann, hat mich überrascht.  Religiöse Erfahrungen, also Erfahrungen mit Gott, kann man nicht so einfach herstellen.

Ich denke, dass zu einer transzendenten Erfahrung immer dazu gehört, dass sie einem geschenkt wird, schlussendlich. Aber man kann versuchen, die Voraussetzung dafür zu schaffen. Viele Menschen spüren ja auch beim Betrachten von Natur eine Form von Schöpfungsspiritualität. Das ist auch, was einem geschenkt wird. Es könne n zwei das gleiche sehen, doch der eine fühlt etwas anderes.

Erfahrungen mit Gott – die werden geschenkt, das leuchtet ein. Frank Hofmann sagt, er habe beim Laufen „das Beten gelernt“. Wie geht das, beten lernen?

Das ergibt sich nicht von heute auf morgen. Da muss man hineinwachsen. Genauso ist es ja beim Laufen auch. Wenn man anfängt zu laufen, wird man feststellen, nach 100 Metern ist mal die Puste weg, muss man eine Pause machen. So baut man sich langsam auf. So ähnlich bin ich auch ins Beten hineingekommen.

Und: Weil man auch das beten lernen kann, ist sich Frank Hofmann ganz sicher:

Ich denke mal, dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, solche Transzendenz-Erfahrungen zu machen, wenn er aufmerksam ist. Der eine macht es in der Lieb, der andere in der Natur, und der Dritte beim Sport. So war’s bei mir. Man sollte offen sein für religiöse Deutungen.

Frank Hofmann hat deshalb nichts Missionarisches an sich, wenn er über das Laufen und das Beten während des Laufens spricht. Wenn er auf sein Leben schaut, dann kommt ihm seine Beziehung zur Religion selber befremdlich vor.

Ich habe selbst meine religiöse Alphabetisierung sehr früh abgebrochen, mir war das ganze Sprachspiel komplett fremd. Ich hab’s dann schätzen gelernt mit Mitte 40 ungefähr, weil ich in der Bibel viele Weisheiten ausgedrückt finde, in einer Schönheit und Klarheit, wie man sie anderswo nicht findet. 

Theologie ist spannender als Philosophie

Frank Hofmann ist  Chefredakteur des ökumenischen Vereins „andere Zeiten“, der spirituelle Texte zum Kirchenjahr herausgibt. Ursprünglich hat der 54-jährige Hamburger Philosophie studiert, doch über seine Erfahrungen beim Laufen hat er ein neues Thema für sich entdeckt.

Die Theologie ist hochspannend, sie ist noch konkreter als die Philosophie, hat noch mehr Aspekte, sie ist auch aktueller, wenn Sie an die aktuelle politischen und gesellschaftlichen Diskussionen denken. Der Dialog mit anderen Religionen, was verbindet uns – das finde ich ein sehr spannendes Thema. 

Mitten im Leben – und plötzlich ist der Wunsch da, Theologie zu studieren. Frank Hofmann ging da seinen Weg unbeirrt, und sein Umfeld reagierte da so, wie er das nicht anders erwartet hat:

Mit einer Mischung aus Respekt und Unverständnis. Es gibt Menschen, die das spannend und sehr toll finden. Und andere, die dafür so gar kein Verständnis haben, weil ihnen das Thema Religion und Glaube möglicherweise in Folge einer einseitigen Erziehung, schlechter kirchlicher Erlebnisse versagt geblieben ist. Es hing mehr so von diesem persönliche n Standpunkt ab.

Dann erzählt mir Frank Hofmann die Geschichte des Propheten Elia. Nach einem Massenmord des Propheten an 450 ungläubigen Menschen läuft er in Todesangst „um sein Leben“, vom Berg Karmel an der Mittelmeerküste bis in die Negev-Wüste – 150 Kilometer. Dann folgten 40 Tage und Nächte, die als Fastenzeit zu versehen sind, dann landet Elia auf dem Berg Sinai und – begegnet Gott.

Diese enorme körperliche Anstrengung hat ihn so sensibel gemacht, der so viel Wut in sich hatte, so viel Aggression, dass er Gott in einem Hauch von Nichts wahrnimmt. Das ist für mich ne wunderbare Geschichte, die das Potential des Sports auf die Veränderung von Menschen deutlich macht.

Für Frank Hofmann ist die Bibel zu einem wichtigen Buch geworden. Als Läufer liest er es anders, als es Bibelwissenschaftler tun. Es gibt für ihn einen zentralen Begriff in der Heiligen Schrift:

Wenn man genauer hinschaut, sich die Bibel lesen lässt als ein Manifest der Bewegung. Es geht eigentlich immer darum, uns in Bewegung zu halten. Wir haben eine Reise, wir sind in eine Reise mitgenommen, dessen Ziel uns nicht Hundertprozentig klar ist, aber das tröstliche ist: Wir werden begleitet. Gott ist mit seinem Volk und begleitet es. Er bewegt sich selbst. Für mich heißt Christsein in Bewegung sein.

Das habe ich aus meinem Gespräch mit Frank Hofmann gelernt: Christsein heißt in Bewegung sein. Das gilt geistig / geistlich, aber eben auch körperlich / sportlich. Frank Hofmann geht jetzt mit Mitte 50 nicht mehr täglich „spirituell laufen“, aber jeden zweiten Tag. Denn für ihn gilt. Ich kann mir ein Leben ohne Laufen vorstellen, aber nicht mehr ein Leben ohne Glauben.

www. Anderezeiten.de

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22176
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