SWR1 Begegnungen

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Elmar Kos ist Professor für Moraltheologie an der Universität Osnabrück. Ich habe ihn in Bramsche, einem Vorort von Osnabrück, besucht, um
mich mit ihm über Pfingsten zu unterhalten. Pfingsten gilt als der Geburtstag der Kirche, weil die Jüngerinnen und Jünger vor
2000 Jahren den Mut fassten, sich zu Christus zu bekennen.
Plötzlich konnten sie Menschen aus anderen Ländern in ihrer
Sprache verstehen. Der Heilige Geist ermuntert die christlichen Kirchen auch heute, das Evangelium immer neu und zeitgemäß zu verkünden. Elmar Kos definiert das Pfingstfest so: 

 

Pfingsten steht für mich für diese Idee, dass die Kirche eigentlich ne barrierefreie Gemeinschaft sein sollte. Das kommt in dem Sprachwunder symbolisch sehr schön zum Ausdruck, wenn plötzlich alle Apostel sich in der jeweiligen Sprache hören und verstehen. So wünsche ich mir auch die Kirche, dass sie bei den Menschen ist und von den Menschen in der jeweiligen Situation verstanden wird.

Eine Kirche, die bei den Menschen ist.  Eine Kirche, die im Auftrag Gottes das Evangelium verkündet. Warum braucht es dazu eine Kirche? 

Die Kirche ist die Form, in der Gott jetzt in unserer Zeit präsent sein will. Er schafft einen Raum, wo sein Geist erfahrbar ist. Erfahrbar zumindest sein sollte als das Heil, das er für uns Menschen gedacht hat. Das finde ich ne schöne Idee und auch nen kritischen Maßstab, an dem die Kirche sich immer wieder messen lassen müsste.  

In der Kirche sollte der Geist Gottes wirken. Ein großes Wort, das Elmar Kos gelassen spricht. Steht doch die Kirche derzeit in keinem guten Ruf. Und doch bleibt der Anspruch, eine besondere Gemeinschaft zu sein. 

Ohne Pfingsten, ohne Geistsendung, ohne die Gabe des Heiligen Geistes, wäre sie ne Institution wie alle anderen gesellschaftlichen Institutionen auch, ein Verein unter Vereinen. (…) Das sollte sie nicht sein. Das bedeutet natürlich auch, dass sie ihre institutionelle Verfasstheit (…) auch als ein Zeichen des Geistes verstehbar machen muss.

Ist das der Fall?, frage ich Elmar Kos in unsrem Gespräch. Kann man sehen, dass die Kirche vom Geist erfüllt ist und so bei den Menschen ist?

Vorsichtig formuliert gibt es noch einiges an Entwicklungspotential. (…) Von der Bevölkerung wird sie eher als Monolith, als fremder Bereich wahrgenommen, der eher für nen inneren Kreis redet und relevant ist. 

Der Heilige Geist steht auch für die Vielfalt in der Kirche. Wie das genau gelingen kann, dazu mehr nach der Musik. 

…und mit Elmar Kos. Der 56-jährige Professor für Theologie lehrt seit 12 Jahren an der Universität Osnabrück.  Er ist in Farndau bei Göppingen großgeworden.  - Pfingsten ist für ihn das Fest des Heiligen Geistes, der die Kirche offen macht für Neues, offen für neue Spielräume in der Verkündigung. Für diese Offenheit gibt es für Elmar Kos einen Namen:

Diese Öffnung, die jetzt wohl durch Papst Franziskus erfolgt, besteht darin, dass er viel mehr Vielfalt zulässt, als er sagt, ich will das jetzt nicht von Rom aus festlegen, sondern ich will hier aufrufen, dass vor Ort Lösungen gefunden werden, die dort von den Menschen verstanden werden, die an anderen Orten eher Irritationen auslösen würden, aber die Offenheit lässt er jetzt zu. Und das ist das, was wir jetzt auch nutzen sollte.

Eine Kirche, die nicht zuerst mit Gesetzen und Normen kommt, sondern den Menschen Ernst nimmt in seiner Größe und in seinen Nöten. Elmar Kos wünscht sich,

 …dass es der Kirche gelingt, Modelle des gelingenden Lebens zu vermitteln, Beispiele zu geben. Nicht im Sinne von Normen, die vorgeschrieben sind, eher Modelle, an denen sich Menschen orientieren können und ihr eigenes Leben führen können.

So kann Pfingsten jeden Tag geschehen. Pfingsten – das Fest steht eher im Schatten von Weihnachten und Ostern, mit denen die meisten Menschen mehr anfangen können als mit dem Pfingstfest.

Das finde ich schade, weil wir mit Pfingsten tatsächlich ein Fest feiern, das uns (…) immer wieder ermuntert, auf die Menschen zuzugehen, verständlich zu reden, so, dass wirklich jeder in seiner Sprache mit uns etwas anfangen kann und uns gleichzeitig zu einem Vorbild macht.

Elmar Kos hat vier Kinder, die beiden Großen sind jetzt außer Haus. Ob und wie die Kirche in der Sprache von heute spricht, das erlebt er in der eigenen Familie.

Das ist das Problem, das ich mit meinen Kindern in der Kirche habe. Die sind natürlich immer artig mit uns in die Kirche gegangen. Aber das Ergebnis war immer, dass sie auf lange Sicht das Gefühl hatten, da ist von uns nicht die Rede.

Da steht die Familie Kos wohl nicht alleine. Der Anspruch, in der Sprache der Menschen von heute zu reden, bleibt bei allen Schwierigkeiten bestehen. Ob er denn schon einmal ein persönliches Pfingsten erlebt habe, frage ich Professor Elmar Kos.

Wenn mir im akademischen Rahmen, in der Auseinandersetzung mit theologischen und philosophischen Fragen, Dinge schlagartig aufgehen, und zwar in einer Art, wo ich denke, das ist jetzt nicht etwas, was ich mir selbst erarbeitet habe – das hat nen Geschenk-Charakter! Das überwältigt mich jetzt! Da denke ich schon, dass man das mit dem Wirken des Heiligen Geistes verbinden kann. 

Der Heilige Geist als Geschenk Gottes an die Kirche. Das ist lange her und bleibt für Elmar Kos immer neu aktuell:

Ich wünsche mir natürlich, dass die Erinnerung an das Ereignis von vor 2000 Jahren dazu führt, dass wir jeden Tag neu uns klar machen, wenn wir Kirche als Geschöpf des Heiligen Geistes verstehen, dann müssten wir auch in der Lage sein, diesen Geist erfahrbar zu machen. 

Kirche – offen für Neues, offen für die Menschen von heute. Das Gespräch mit Elmar Kos hat mir Mut gemacht, als Christ und Theologe daran weiterzuarbeiten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22017
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