SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Ich habe großen Respekt vor dem, was Kinder und Jugendliche bei uns fertig gebracht haben. Zu Jahresbeginn sind sie von Haus zu Haus gezogen, haben bei den Menschen gesungen und ihnen einen guten Wunsch, einen Segen ins neue Jahr gebracht .Die Sternsingeraktion hat auch dieses Jahr wieder ein großes Echo gefunden. Kinder und Jugendliche tragen die weihnachtliche Botschaft weiter, andere öffnen ihre Häuser und unterstützen die Solidaritätsaktion der jungen Menschen kräftig. Dieses Jahr haben sie für notleidende Kinder in Bolivien  gesammelt  und sind angetreten unter dem Leitwort: Respekt. Respekt bedeutet: Alle Menschen werde, egal wo sie herkommen oder wie sie aussehen, geschätzt. Jeder Mensch hat die gleiche Würde, Eigentlich ist das nichts anderes als die Botschaft von Weihnachten. Gott liebt den Menschen und schließt keinen aus seiner Zuneigung aus. Mit dieser Botschaft ziehen die Sternsinger los. Mit dem Stern voraus und mit der Kreide, mit der sie dann den Segen an die Türen schreiben: Christus segne dieses Haus!

Ich habe Respekt vor dieser tollen Leistung. Respekt vor diesem Einsatz ,auch vor der Fröhlichkeit mit der sie losgezogen sind. Respekt vor der Courage, mit der sie auch manche Enttäuschung hingenommen haben. Denn auch das mussten sie erleben: Türen wurden wieder vor ihrer Nase zugeschlagen andere haben sich hinter dem Vorhang versteckt und den Eindruck erweckt, es sei niemand zu Hause Die jungen Sternsinger haben sich davon nicht beirren lassen, genauso wenig von dem schlechten Wetter, dem sie die ersten Tage ausgesetzt waren.

Wenn es die Sternsingeraktion nicht gäbe, man müsste sie dringend erfinden. Kinder und Jugendliche entdecken  bei dieser Aktion schon frühzeitig wie sinnvoll es ist, sich für andere einzusetzen. Sie erfahren, dass es richtig Spaß machen kann, sich für andere Kinder einzusetzen. Und sie lernen dabei, nicht bloß für die eigene Tasche zu sammeln .Sie denken an andere Gleichaltrige, die dringend Hilfe und Unterstützung brauchen. Nach ihrer eigenen Motivation befragt, brauchen die Mitwirkenden nicht lang zu überlegen. Die neunjährige Annika hat schon zum fünften Mal mitgemacht weil es ihr, Riesenspaß macht und sie anderen Kindern helfen will. Ihre Begeisterung steckt an. Und nächstes Jahr sagt sie, ist sie wieder dabei.

Für mich geben diese jungen Menschen außerdem ein sympathisches Bild von Kirche ab. Eine Kirche die unverkrampft und engagiert zu den Menschen geht, die keine Bedingungen stellt, die jedem die Möglichkeit lässt, die Tür zu öffnen oder geschlossen zu halten. Der Stern leuchtet für alle. Die Sternsinger haben wesentlich dazu beigetragen, dass zu Beginn dieses Jahres nicht nur Bedenken und Ängste zu Wort kommen, sondern die Hoffnung, dass gerade solche Aktionen unsere Zeit  ein wenig friedlicher machen.

„Respekt für dich, für mich, für andere“-das Motto der diesjährigen Sternsingeraktion ist heute mein Thema in den Sonntagsgedanken. Ich habe erst kürzlich mit einem älteren Ehepaar gesprochen. Es ging um ihre bevorstehende Goldene Hochzeit .Ich habe sie gefragt, was war denn das wichtigste gewesen wäre, was ihnen in all den Jahren geholfen hatte, beieinander zu bleiben. Da hat der Ehemann geantwortet, ohne lange zu überlegen: Respekt! Das habe sie verbunden und auch in kritischen Phasen zusammengehalten.

Respekt bedeutet: ich achte dich, ich schätze dich, ich nehme Rücksicht und lasse dich gelten. Respekt braucht den nötigen Abstand zum Gegenüber, damit niemand vereinnahmt oder manipuliert wird. Respekt schützt die Würde jedes Menschen, egal wie dieser aussieht oder wo er herkommt. Lange Zeit galt Respekt als brav sein und sich klein machen, fast schon eine Form von Einschüchterung oder Angst. Und die sogenannten Respektspersonen betonten oft genug sehr eindringlich ihren Anspruch und ihre Autorität

Aber Respekt ist mehr und beruht nicht auf Unterwürfigkeit. Wörtlich übersetzt bedeutet Respekt Rücksicht, also noch einmal hinschauen, genau hinschauen und sich nicht vom ersten und oft oberflächlichen Blick leiten lassen. Ich bin überzeugt, unser Miteinander wäre geduldiger, und versöhnlicher, wenn wir so aufeinander Rücksicht nehmen würden

Mir fällt auf, wie sehr sich in letzter Zeit unser Umgangston verändert. Gegensätzliche Meinungen z. B über die gegenwärtige Flüchtlingspolitik werden nicht mehr sachlich und argumentativ ausgetragen Man hört sich gar nicht zu. Komplizierte Sachverhalte werden in gängige Parolen umgemünzt. Häme und Beleidigungen sind an der Tagesordnung. Gerade in öffentlichen Gesprächsrunden scheint es nicht mehr um Lösungen für die anstehenden Probleme zu gehen, sondern ums Rechthaben und um  einen günstigen Startplatz für die bevorstehende Wahl.

Ich bin diese Schaukämpfe leid. Sie tragen weder zu Versachlichung noch zu einer Klärung der sehr schwierigen Fragen bei. Ich glaube mit ein wenig Anstand und Respekt voreinander kämen wir weiter Wer anderer Meinung ist, wird nicht verdächtigt oder in eine bestimmte Ecke gestellt, Wer an der Reihe ist, darf seine Gedanken vortragen ohne dass er ständig unterbrochen wird und wer am Reden ist, soll sich fragen, ob es auch wahr ist, was er sagt.

Ich danke den Sternsingern, dass sie mir für dieses Jahr eine Art Passwort geliefert haben .mit dem ich zu unterschiedlichsten Menschen  einen Zugang finden kann. Ein Passwort, das gerade fremde und ungewohnte Türen öffnen kann. Respekt ! Das könnte wie ein Schlüssel wirken. Und zwischen uns ein freundliches und wohlwollendes Klima schaffen, in dem dann auch schwierige und spannungsreiche Fragen miteinander gelöst werden können. Mit allem Respekt!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21387
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