SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Ob Gott in diesen Tagen wohl auch mit Weihnachtsvorbereitungen beschäftigt ist, frage ich mich.
Ich denke dabei an einen Satz aus der Bibel, der wie ein Motto über dem dritten Advent steht.
„Tröstet, tröstet mein Volk.“ Sagt Gott. Und zwar sagt er das zu seinen Engeln.
Für mich ist das wirklich eine tröstliche Vorstellung, dass Gott seinen Boten diesen Auftrag gibt.
Denn Trost, glaube ich, das ist das, was wir nach diesem Jahr besonders dringend brauchen.
Sicher, vieles ist so wie immer. Doch habe ich den Eindruck, dass viele Menschen in diesem Jahr bedrückter wirken als sonst, ratlos irgendwie. Als hätten sie einfach genug von den Nachrichten, die sie Tag für Tag erreichen. Erst die Finanzkrise, dann die Flüchtlingskrise, und nun zieht Europa sogar in einen Militäreinsatz gegen den Terror. Keiner weiß so richtig, wie es jetzt eigentlich weiter gehen soll. Nicht einmal die Politiker und die Experten. Und viele Menschen wissen nicht einmal, wie es bei ihnen persönlich weiter gehen soll.
Ich denke an die Frau, die im Sommer ganz plötzlich ihren Mann verloren hat. Wie mags der wohl dieser Tage zumute sein, wenn sie ihre Weihnachtsdeko aus dem Keller hochholt? Bestimmt tut das weh, zum ersten Mal allein. Aber vielleicht tut es auch gut: Weihnachtsbrödle backen, Sterne ausschneiden. Ein bisschen „Alle Jahre wieder“, wo doch vieles so anders ist. Ich glaube, das kann auch Halt geben.
Und dann denke ich an den Mann, der von seinem Arzt erfahren hat, dass es nicht gut aussieht mit ihm. Wie für ihn wohl die schönen alten Adventslieder klingen, es könnte ja seine letzte Adventszeit sein. Gerade Menschen wie diesen beiden wünsche ich von Herzen, dass jetzt Gottes Engel zu ihnen unterwegs sind.
Engel sind doch Boten Gottes. Sie sollen Gott dabei helfen, etwas zu ändern. Sie haben von Gott den Auftrag, uns Menschen zu verändern, so lese ich es in der Bibel.
„Tröstet, tröstet mein Volk!“ Für mich klingt das so, als wollte Gott damit sagen: „Berührt die Herzen der Menschen und haltet die Sehnsucht in ihnen wach! Sie dürfen ihr Vertrauen nicht verlieren, sonst werden sie am Ende noch ganz zynisch und verbittert. Sie brauchen Zuspruch, ein gutes Wort, ein Dankeschön, ein „Ich habe dich lieb.“ Zeigt ihnen, wo sie gebraucht werden und wo ihre Talente gefragt sind. Die Menschen brauchen Aufgaben, sie wachsen sogar an ihnen.“
Hoffentlich finden Gottes Engel auch den Weg zu mir. Denn Trost, das ist es, was ich mir nach diesem aufregenden Jahr wünsche. Ich möchte getrost auf das zugehen, was ansteht, denn so kann ich es schaffen, glaube ich. Deswegen ist es für mich wie ein Gruß vom Himmel, wenn ich in der Bibel lese. „Tröstet, tröstet mein Volk.“

Aber wie tröstet Gott?
Folgende Auskunft entnehme ich der Bibel: Die Engel sollen den Menschen freundlich begegnen. Aber es geht dabei wohl nicht nur um Bestätigung und Anerkennung, sondern auch um ein Stück Selbstkritik. Vielleicht sind ja nicht immer nur die anderen schuld an meiner Misere – die Politiker, die Lehrer, der Staat, die Gene, das Schicksal … Auch ich ertappe mich immer wieder dabei, wie schnell ich andere verantwortlich mache. Dabei könnte ich ja auch gucken, wo ich selber etwas versäumt habe. Oder einen Fehler gemacht habe.
Wie tröstet Gott?
Die zweite Dienstanweisung an die Engel lautet: „Sagt, dass die Knechtschaft zu Ende ist.“ M.a.W.: Das Unheil nimmt nicht einfach seinen Lauf, und ihr könnt etwas dazu beitragen: Z.B. die Heizung eine Stufe runterstellen und dafür eine Strickjacke anziehen. Und statt jeden Apfel einzeln in eine Plastiktüte zu stecken, könntet ihr daran denken, eine Korb zum Einkaufen mitzunehmen. Sicher, damit wird nicht die Welt gerettet und der Klimawandel gestoppt. Aber es ist ein Beitrag, der zeigt, dass alle zusammen doch etwas ändern können.  Manch einer, der grad jetzt vor Weihnachten für die Flüchtlinge in seinem Ort Kleider sammelt oder alte Fahrräder für sie repariert, der löst damit natürlich nicht die Flüchtlingskrise. Aber vielleicht löst er damit seine eigene Krise, hört auf, sich ständig um sich selbst zu drehen, kann sich nützlich machen, wird gebraucht.   
 „Bereitet dem Herrn den Weg!“ so rufen es die Engel einander zu. So lese ich es in der Bibel.
„Alle Täler sollen erhöht werden und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden!“
Wir müssen nicht auf ausgetretenen Pfaden weiter gehen, so verstehe ich das.
Wie das geht, das habe ich bei dem Mann erlebt, der so schwer erkrankt ist, dass es vielleicht sein letztes Weihnachten ist. Wo ich den jetzt überall treffe: bei der Seniorenfeier, auf dem Wochenmarkt, im Adventskonzert. Da hat er sogar noch geholfen,  Stühle zu tragen. „Was soll ich mich jetzt zu Hause einigeln.“ Hat er zu mir gesagt. „Ich freu mich doch, wenn ich unter Leute komme und was tun kann. Das lenkt mich ab.“
Wenn Gott mit seinem Trost zum Zuge kommen will, glaube ich, dann wird sich etwas verändern. Dann wird er die nötige Kraft geben.
„Tröstet, tröstet mein Volk!“ Freundlich. Aber bestimmt. So sind sie hoffentlich auch heute und in der kommenden Woche unterwegs, Gottes Boten. Also: Bleiben Sie getrost! Ich wünsche Ihnen einen gesegneten dritten Advent.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21086
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