SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Teil 1
Es soll Leute geben, die sind stolz darauf, dass sie in ihrem Leben noch nie eine Aktie erworben haben. Was mit Geld und Wirtschaft zu tun hat, ist manchen von vornherein verdächtig. Von Finanzen und Wirtschaft verstünden sie nichts, sagen sie, und sie wollten damit auch nichts zu tun haben. Das Thema „Geld“ scheint zu den wenigen noch verbliebenen Tabuthemen unserer Zeit zu gehören.

Warum ist das so? Fachleute haben das Phänomen untersucht. Sie nennen gleich mehrere Ursachen. Zum Beispiel: viele Menschen empfänden es unangenehm, offen über Geld zu reden: Das Gespräch über Geldmangel löse oft Schamgefühle aus, das Reden über zuviel Geld mache neidisch. Das Thema Geld, so die Untersuchung, sei eher Teil der persönlichen Intimsphäre. Außerdem gelte es als oberflächlich und moralisch fragwürdig, sich intensiv mit dem Thema Geld zu befassen. Wer finanziell clever und erfolgreich ist, gerate leicht in den Verdacht, andere zu übervorteilen. Bei Geldgeschäfte heiße es dann oft: „Davon verstehe ich nichts, das macht mein Mann / meine Frau“.

Nun könnten Christen sich auf manch fromme Worte berufen, um ihre Unsicherheit im Umgang mit Geld zu rechtfertigen. Hat nicht Jesus selbst gesagt: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“? Aber derselbe Jesus hat auch geraten: „Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon“. Und sein Rat, „klug zu sein wie die Schlangen, doch ohne Falsch wie die Tauben“ - könnte der nicht auch für den Umgang mit den Finanzen gelten?
Und wenn in dem Evangelium des heutigen Sonntags geraten wird: „Wenn du Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen“ und wenn statt dessen empfohlen wird: „Wenn du Almosen gibst, lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut“ - dann werden ja keineswegs diejenigen als moralische Vorbilder hingestellt, die von Wirtschaft und Finanzen keine Ahnung haben.
Aus biblischer Sicht ist Geld weder gut noch böse. Entscheidend ist, wie ein Mensch über Geld denkt: ob es zu einem guten Leben hilft.
Wenn es nach dem Evangelium für den heutigen Sonntag geht, hilft Almosen geben in der Tat zu einem guten Leben. Almosen geben, wir sagen heute „spenden“ dazu, kann man aber nur, wenn man auch Geld hat.

Deshalb kann man schon stolz sein über den erarbeiteten Wohlstand, über technische Errungenschaften und darüber, dass in unserem Land Menschen einen hohen Bildungsgrad erreichen können. Die Frage ist nur: wem soll das dienen? Wer soll dadurch einen Vorteil haben?

Teil 2
Wem hilft, wem nützt der ganze Reichtum? Und wofür soll er eingesetzt werden?

Ist er ein Symbol für das, was ich wert bin? Bin ich das, was ich besitze? Soll für mich als Zielvorgabe dienen, was die Werbung so auf den Punkt bringt: „Mein Haus, mein Auto, mein Boot, mein Pferd“? Wer gesund bleiben will, muss sich diesen Fragen stellen.

Hängt mein Selbstwert von dem ab, was ich besitze, dann muss ich immer in Angst und Sorge leben. Ist der Besitz zu klein, fühle ich mich auf Dauer unterlegen.Ist er sehr groß, muss ich Angst haben, ihn zu verlieren.

Nicht nur Armut, auch Überfluss kann einem Menschen die Seele wegfressen. Das haben schon Menschen in grauer Vorzeit gewusst. Damals hat man sich die Sage vom Lebensschicksal des Königs Midas erzählt: Der wollte über die Maßen reich sein, niemand sollte mehr Gold besitzen als er. So wünschte er sich, dass alles, was er anfasste, zu Gold wurde. Sein großer Lebenswunsch wurde ihm gewährt. Alles, was er berührte, wurde zu purem Gold. Bei märchenhaftem Reichtum ist er schlichtweg verhungert. An seinem Gold ist er gestorben; denn Gold kann man nicht essen. Als er das merkte, war es schon zu spät. Nicht nur die Gemeinschaft hat er zerstört, sondern letzten Endes sich selbst. Man kann sterben, wenn man alle sich bietenden Möglichkeiten nutzt.
Gold kann man nicht essen. Und Reichtum beruhigt zwar, aber macht nicht lebenssatt.

Doch zum Glück gibt es Lebensbrot gegen den inneren Hunger und die Lebensangst. Gegen die Angst, es könne einmal nicht mehr reichen, setzt Jesus das Vertrauen. Gegen die Sorge, das Leben würde seine Berechenbarkeit verlieren, lädt er ein, sich auf ihn einzulassen und sich dem Leben zu überlassen. Teilen und Anteilgeben, hilft dabei. So ist man offen für Gott und die Menschen und gewinnt darüber die eigene Lebendigkeit zurück, Das verspricht Jesus dem, der es probiert.

Wo einer aus seiner berechnenden Grundhaltung von sich aus nicht herausfindet, da spricht er ihn an: Du kannst dir mehr Freiheit leisten, als du glaubst. Du darfst vertrauen, Lass die Angst nicht dein Ratgeber sein. Sie soll nicht dein Handeln, nicht deine Entscheidungen bestimmen. Ich bin überzeugt: wer das probiert, wird entdecken: Das tägliche Brot für den heutigen Tag wird uns zur Verfügung stehen.

Wer Vertrauen hat, kann klar denken. Angst und Habgier hingegen vernebeln die Sinne. Um des klaren Denkens willen sollten Christen sich in Sachen Geld und Wirtschaft sachkundig machen. Für mich ist es kein Ausweis besonderer Frömmigkeit, wenn einer Geld und Wirtschaft pauschal verteufelt. Ich meine, wir sollten stattdessen die richtigen Fragen stellen. Zum Beispiel: Nach welchen Maßstäben bemisst sich der Erfolg einer Geldanlage? Wie ist der Gewinn eines Unternehmens zustande gekommen und wie wird er investiert? Ist wirtschaftlicher Erfolg nicht immer eine Gemeinschaftsleistung aller Beteiligten?

Mit seinem klaren Denken ist zum Beispiel Martin Luther zu der Erkenntnis gekommen: „Gott will nicht, dass man nicht Geld und Gut haben und nehmen soll, oder, wenn man´s hat, wegwerfen solle, wie etliche Narren unter den Philosophen und tolle Heilige unter den Christen gelehrt und getan haben“. https://www.kirche-im-swr.de/?m=2091
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