Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Als sie aus ihrer Heimat verschleppt und vertrieben waren – da haben die Israeliten aufgeschrieben, was ihnen wichtig und heilig war. Vor zweieinhalb tausend Jahren war das. Große Teile der Bevölkerung waren nach Babylon verschleppt, ins Land der Feinde. Hunderte von Kilometern weg von der Heimat. Da haben die Schriftgelehrten unter ihnen die Geschichten ihres Glaubens aufgeschrieben. Was man vorher von Generation zu Generation erzählt hat, wurde jetzt zusammengestellt: die fünf Bücher Mose. Wer das liest, merkt – das ist die Geschichte von Menschen, die immer wieder unterwegs waren. Und die trotzdem gespürt haben: Gott begleitet uns – egal, wohin das Leben uns verschlägt.
Das haben die Menschen aufgeschrieben und festgehalten, damit ihnen das nicht verloren geht. Die Erinnerung ans Unterwegssein. So, glaube ich, wird Heimat nicht nostalgisch: ach ja, wie schön war das früher. So ist Heimat eine Erwartung. „Gott begleitet uns. Und einmal werden wir Ruhe finden“. Damit haben sie im fremden Land gelebt.
Ich kenne das auch, dass ich Heimat habe in den Worten und Geschichten der Bibel. Die trage ich im Herzen und fühle mich geborgen. Sie sagen mir: So begleitet Gott auch dich. Das kann mir keiner nehmen. Auch nicht in einem Land, in dem ich nicht geboren bin. Und ich vertraue auf Jesus, der gesagt hat: „In Gottes Haus sind viele Wohnungen. Die mache ich für euch bereit“. In einem seiner Briefe hat der Apostel Paulus das festgehalten: „Euer Bürgerrecht ist im Himmel“ (Phil 3,20). Darauf hoffe ich. Ich finde, das ist eine schöne Aussicht. Dahin bin ich gern unterwegs.
Ich denke mir, vielen Flüchtlingen, die jetzt zu uns gekommen sind, geht das so ähnlich. Sie brauchen etwas, das ihnen Heimat gibt, jetzt, wo sie hier fremd sind. Für viele ist das ihr Glaube. Die meisten sind nicht Christen. Ihr heiliges Buch ist der Koran und ihr Gotteshaus die Moschee. Da finden sie Halt und Hoffnung. Ich glaube, das sollten wir Christen unterstützen. Nur wenn sie Halt finden, können sie bei uns gut leben. Ich denke nicht, dass wir Christen Angst davor haben müssen. Wenn wir wissen, was uns heilig ist und woran wir glauben, dann kann uns ein anderer Glaube nicht aus der Ruhe bringen.
Wenn die Fremden unser Grundgesetz auch zu ihrem machen, könnten wir ein gutes Miteinander haben – auf dem Weg in die gemeinsame Zukunft. Von der hat ein jüdischer Prophet gesagt: „Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg. Jeder sitzt unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum und niemand schreckt sie auf.“ (Micha 4,4)

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